Archiv für den Monat: Februar 2013

Was ich lieber nicht wissen wollte

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Feine glatte Dame: Möchten Sie was zum Probieren mitnehmen?
Ich: Ja, warum nicht?
Dame: Ja, was hätten Sie denn gerne?
Ich: Ach, geben Sie mir einfach mit, wovon Sie denken, das sei richtig für mich.
Dame: Bitteschön
drückt mir ein vielversprechendes rotweissgoldenes Päckchen in die Hand

Ich: Dankeschön, usw.

Daheim, Packungsbeilage:
Die ultimative Anti-Age Pflegelinie Dings erneuert die natürliche Leuchtkraft der Haut […], um Falten, Pigmentflecken und fahlen Taint auszublenden.

Aha. So ist das also.

Übermut, jugendlicher

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Geld war ja nie da. Brauchten wir auch nur manchmal, für Miete (ganze Wohnung 200 DM durch zwei), Bücher, Ausgehen. Und mal nach New York.

Bei Kaiser’s in der Pappelalle haben wir ab und zu was eingesteckt, bis eine erwischt wurde, mit allem drum und dran, Good Cop Bad Cop im Hinterzimmer, Hausverbot, ist wohl abgelaufen, und letztlich eigestelltem Verfahren. War uns eine Lehre, danach wurde immer alles brav bezahlt, und das meiste sowieso im Bioladen in der Wichertstrasse gekauft. Ja, sowas gab es auch schon 1995 in damals noch entlegenen Gegenden, er hiess Uckermarkt und wurde von ein paar langhaarigen Ossis betrieben. Man konnte Kohl in allen Farben kaufen. Kartoffeln. Rüben. Natürlich kein Fleisch, schon gar nix Tiefgefrorenes. Am schwarzen Brett informierte man sich über Bürgerbewegtes. Spater hatten wir dann eine Biokiste von einem Prignitzer Lesbenkollektiv. Mit Rüben. Und Kohl.

Geldbeschaffung fand in meinem Fall durch einen mehr als depremierenden Job in der Markt- und Meinungsforschung (Gute Nacht, äh, Guten Tag Deutschland) und im Fall der Mitbewohnerin in der Gastronomie statt. Tatsächlich haben wir, immer wenn es etwas Besonderes zu feiern gab, alle Kröten zusammengekratzt und sind völlig unverhältnismäßig essen gegangen. Das kam in etwa zwei Mal im Jahr vor, am Liebsten in den Offenbach Stuben (schmerzvoller Seufzer), aber manchmal auch wo anders. Einmal in einem Restaurant namens Rosenbaum, das einem heute wie eine Prophezeiung vorkommt, damals eher wie ein verirrtes UFO. Die Mitbewohnerin hat während des Essens ganz frech nach einem Job gefragt (wir waren jung und … manchmal) und ihn tatsächlich bekommen. In einer Zeit, als der P-Berg noch dreckig, arm, laut und lustig war, kamen diese romantischen Irren auf die Idee, ein gehobenens Restaurant zu eröffnen. Beim Gugeln habe ich gerade gesehen, dass Tim Rauhe damals der Küchenchef war, hm, ja das Essen war prima. Bald gab es Fensterläden aus Metall gegen das Einschlagen der Scheiben, Kundschaft aber keine. Und fluxi ging die ganze Sache den Jordan runter, heute ist das Ding zum hundertsten mal verpachtet, zuletzt war da was Russisches, wenn ich mich recht entsinne.

Die Mitbewohnerin fand über geölte Beziehungen was im Obst und Gemüse (schmerzvoller Seufzer), dieser schummrig beleuchteten Bar, wo ich meinen allerersten Kaffee im Glas bekam. Hinterm Tresen arbeitete Berlins schönster Mann, der später von seiner damaligen Liebsten sehr unvorteilhaft in einer Kurzgeschichte verewigt wurde, ich hab mich schlappgelacht, als ich nichts ahnend in einem Bestseller darüberstolperte. Diese Schriftstellerin mit der eindrucksvollen Nase konnte sehr viel Whisky trinken, ohne vom Barhocker zu fallen, das habe ich mehrfach genau beobachtet.

Ein paar von der Belegschaft machen immer noch Gastronomie, zum Beispiel den Schleusenkrug mit seinem wunderbaren Biergarten, oder Conni ihr winziges Conni Island, das sie mit viel Herzblut betreibt und wo man immer jemand trifft.

Ich hab vergessen, warum mir das heute morgen beim Ausmisten eingefallen ist. Ist es aber. Sind wir etwa schuld an Allem?

Berliner Busfahrerlaune

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Sowas von spannend, mit dem Dramatiker, dem Pabst und dem Doktormacher fernsehn zu schauen. Das nenn ich als Azubine pure Work-Life-Balance.

Aber das Leben ist schliesslich kein Ponyhof, ich glaub es hackt, darum gehen wir heute Abend noch zusammen zu dieser Ausstellungsvernissage, alle vier in knallrosa, wo die Werke im optimalsten Fall zum Verweilen einladen. Ich werde mir dafür extra eine tolle Haarfrisur machen, so wie diese Rockröhre von Cascada, die ist ja eine echte Powerfrau. Leider geil.

Danach dann DETOX, aber Hallo, die viele Lasagne. Im Grundi genommen geht mir das ja auf den Keks, lieber würde ich mal den Blick schweifen lassen. So richtig auf den Punkt. Alles Klärchen?

Was ich so gerne nicht mehr lesen hören sehen möchte

Spannend
Cascada
Dramaturg statt Dramatiker (und andersrum)
Haarfrisur
Fernseh(n) schaun/gucken
knallrosa
Doktormacher
Rockröhre
Work-Life-Balance
Zum Verweilen einladen
Am Optimalsten/Aktuellsten/Idealsten (stirbt nicht aus)
Keks
Powerfrau
Alles Klärchen
Das Leben ist kein Ponyhof/Wunschkonzert
Ausstellungsvernissage
Den Blick schweifen lassen
Leider geil
Azubine
Im Grundi genommen
Auf den Punkt/Punktlandung
Aber Hallo
DETOX
Pabst
Lasagne
Ich glaub‘ es hackt

Die Spur der Lasagne

Von Großbritannien über Frankreich, Luxemburg, Rumänien und Zypern zurück nach Großbritannien und jetzt auch hier! Aber schön ist doch, dass man schön Fertigfleisch für schön billig kaufen kann, gell? Natürlich muss jeder Mensch sich jeden Tag Fleisch leisten können. Das ist quasi ein Menschenrecht.

Und natürlich sollte man am Essen sparen. Ist ja nur Essen. Sind ja nur Bauern.

Jeder Deutsche isst in seinem Leben durchschnittlich 1094 Tiere: Vier Rinder, vier Schafe, zwölf Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühner.
(Aus dem Fleischatlas von BUND, der Heinrich-Böll-Stiftung und Le Monde diplomatique

Nein, man muss nicht ganz aufhören. Aber ja, man muss acht Euro für ein Rumpsteak bezahlen. Das kostet es nun mal.

Macht nur so weiter. Ich bin es so leid.

Lasagne oder Hommage an L.

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Glück gehabt, sag ich zu ihr heute Morgen, aber sie hört schon nicht mehr zu, weil sie sich so intensiv mit ihrem Frühstücksbrötchen beschäftigt. Ich bin ein bisschen sentimental und klopfe ihren Hals, das duldet sie, aber gerade so, denn für Schmusereien hat sie kein Verständnis. Essen. Sonnen. Und dass sich keiner einmischt oder was will von ihr, dann klappt das Zusammenleben.

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Als ich zehn acht war, wurde mir der klassische Kleinmädchenwunsch erfüllt: Ich bekam ein Pony, genau genommen sogar zwei, ganz genau genommen gehörte eines meinem Vater. Sie hießen Strolch und Susi, das war reiner Zufall, denn meines, das braune, hieß schon Strolch und mein Vater, der Witzbold taufte seines nach einer Verflossenen: Susi, weil sie die gleichen schönen Augen hatte. Meine Eltern hatten sicher in ihrem Leben nie einen Trickfilm gesehen. Ich hab erst viel später von dem Hundedings erfahren.

Der Strolch hat direkt in den ersten Tagen geklärt, was er von kleinen Mädchen hält, gar nichts nämlich, und ich ging dann richtig reiten lernen, das half ein bisschen. Trotzdem bin ich gefühlte 1000 mal runtergefallen, hab mir einen Vorderzahn ausgeschlagen aber sonst keine ernsthaften Verletzungen davongetragen. Dennoch bin ich nicht sicher, ob ich Ponys als Spielzeug für Kinder unbedingt empfehlen würde. Als ich ein Teenager war, waren die dann abgemeldet, wurden murrend versorgt und zottelten so nebenher, vermutlich die schönste ruhigste Zeit ihres Lebens.

Während ich mit 19 allein am anderen Ende der Welt versuchte rauszufinden, wer ich bin, starb der kleine Strolch an Altersschwäche. Die Susi und ich waren ziemlich lange ziemlich unglücklich, immerhin waren wir fast über 10 Jahre beieinander. Und sie war so einsam. So einsam, dass ich eines Tages, ich hab schon in Stuttgart gewohnt, war aber am Wochenende manchmal da, auf eine Anzeige anrief: Viele Pferde zu verkaufen. Oder so. Jedenfalls war es um die Ecke und ich fuhr gleich mal hin.

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Es brach mir das Herz. Mindestens 20 Pferde, in einen dunklen engen Verschlag gesperrt, überall verletzt, mit dicken Beinen, jaaaa, sagte der polnische Pfärdehändler, die kommen aus Rumänien, waren fünf Tage in engem Lastwagen. Zwei gestorben. Anstatt sofort den Tierschutz zu verständigen, fragte ich nach dem schwarzen. Das sei schon weg. Na gut, dann das weiße vielleicht? Kann ich mal probieren? Das weiße wollte nicht galoppieren, denn es hatte bisher nur einen rumänischen Karren gezogen, auch sonst konnte es eigentlich nichts. Ach egal, das nehm‘ ich. Auf Probe. Ich lieh mir einen Sattel und ritt nach hause. Und habe mich in meinem Leben nie sicherer gefühlt auf einem Pferd.

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In den drei Probewochen war sie vorbildlich. Sie lernte, dass man getrocknetes Brot fressen kann und wie man galoppiert. Ich bezahlte den Pferdehändler, bar natürlich und verständigte den Tierschutz. Aber in dem dunklen Loch war kein Restchen von Pferd mehr, auch kein Händler weit und breit. Natürlich würde ich das heute alles anders machen.

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Irgendwann war sie dann aus dem Gröbsten raus und zeigte ihre wahre Persönlichkeit: Andere Pferde? Geh mir weg (arme Susi). Menschen? Naja. Am ehesten Männer. Ich so zur Not. Kein Riegel, den sie nicht aufbekam, keine Reitbeteiligung, die sie nicht in den Dreck warf. Nur die eine nicht (die blieb mir auch fast zehn Jahre). Wir zwei waren reiterlich ein grandioses Team, machten riesige Touren über Stock und Stein. Einmal sind wir im Moor versunken, einmal fiel sie auf meinen Fuss (650 kg), sie war immer die Mutigste und natürlich die Schönste. Jetz isse in Rente. 20 Jahre wohnt sie jetzt hier. Altes Zirkuspferd.

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Unsummen habe ich für Tierärzte bezahlt, zwei schwere Unfälle hatte sie, einen mit dramatischer Kopfverletzungen und Klinik. Seit Jahren eine chronische Bronchitis, Koliken, Hufgeschwüre. Wenn sie keine Lust auf Kommunikation hat, schubst sie böse. Sie hat eine fremde Schulter und meinen Fuß gebrochen.

Ach, meine dicke alte rumänische Kuh.
Ich bin so froh, dass Du in keiner Lasagne bist.