Hellersdorfer Nachbarschaft
In der benachbarten Kleinstadt gibt es ein Asylbewerberheim. Keine Feindseligkeit, Vollbeschäftigung und flächendeckendem Wohlstand sei Dank. Ganz im Gegenteil, es gibt einen regen Helferkreis, der nicht müde wird, die unerfreulichen Zusstände dort öffentlich anzuprangern. Steht dann in der Zeitung, von drückender Enge, verschlammten Vorplätzen und fehlenden Aufenthaltsmöglichkeiten. Schon von außen sieht es mehr als trist aus.
Mich bewegt das Schicksal der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Entflohen einem Bürger- oder sonstigen Krieg, Verfolgung und Folter entronnen, haben sie es endlich hierher geschafft, vermutlich ohne jedes verbliebene Hab und Gut. Traumatisiert vom Erlebten, alles Vertraute, Heimat und Sprache zurücklassend um hier vielerorts unverholen zum Teufel gewünscht, mit Sachen beschmissen und weggesperrt zu werden. Damit ihnen draußen nix zustößt. Im besseren Fall leben sie zu vielen auf wenigen Quadratmetern, dürfen erst mal gar nicht und dann nur vielleicht arbeiten. Nachrangiger Zugang zum Arbeitsmarkt.
Ich habe in Berlin im Laufe der Jahre bei einer Straßenbibliothek in Lichtenberg mitgemacht, zwei Fotoprojekte für Kinder und Jugendliche in Hohenschönhausen und Marzahn organisiert und eines in der vielgerühmten Arche in Hellersdorf. Sagen wir so, ich kenne die Ecke ganz gut und ich habe manchen Erwachsenen dort nicht unbedingt lieben gelernt. Die Kinder schon (auch nicht alle). Natürlich leben dort nicht nur Nazis. Im Gegenteil, ich erinnere mich ungern an meine gebetsmühlenhaften Wiederholungen über die dortigen (akzeptablen) Lebensbedingungen gegenüber meinen zugezogenen Berliner Freunden, die ihre westdeutschen Ärsche selten aus ihren verkuschelten Innenstadtbezirken rausbewegt haben, außer vielleicht um an den Liebnitzsee zu reisen. Oder nach Chorin.
Diese Sache in Hellersdorf hat mich ob ihrer Vielschichtigkeit sehr beschäftigt (scheint als gebe es inzwischen irgendeine Art von Nebeneinander). Und dann noch die ständigen Artikel in unserem lokalen Käsblatt. Lassen mir keine Ruhe.
Ich habe versucht, zu diesem Helferkreis Kontakt aufzunehmen. Ich habe mehrere Stunden das Internet durchforstet, ohne Erfolg. Dann habe ich die Namen aus den Zeitungsartikeln gegugelt, einen davon ziemlich zweifelsfrei identfiziert und ihm eine Mail geschrieben. Eine nette Antwort bekommen. Noch eine Mail und noch eine Mail geschrieben. Und nix mehr gehört. Boah. Und nu?
Die brauchen hier niemand? Die brauchen hier niemand.
Vielleicht doch nicht aufgeben. Bei uns sind diese ehrenamtlichen Helferkreise oft von einer sagenhaften Unorganisiertheit. Möglicherweise hat nur jemand aus Versehen Ihre Adresse gelöscht.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass in so einem großen Haus genug Helfer sein sollen. Es wird immer jemand gebraucht, der mit zum Amt geht, der hilft, einen Therapeuten zu finden, einen Behandlungsschein organisiert, der bei der endlich erreichten Duldung die Tortur beim Jobcenter begleitet, eine Wohnung sucht etc. Überhaupt: Keiner muss alleine zum Amt. Das hilft schon. Und wenn sich hier kein Platz für Sie findet, fragen Sie in der Migrationsambulanz der nächsten Psychiatrie. Die wissen, wer von den Flüchtlingen jemand braucht, der ihnen zur Seite steht.
(Was würde ich dafür geben, jemand wie Sie hier vermitteln zu können, an die junge Frau aus Eritrea, an den stillen Lehrer aus Kenia, an die Kinder…)
Das ermutigt mich. Ich versuche es nochmal. So, wie Sie das beschreiben, habe ich es mir vorgestellt. Es kann eigentlich nicht Hilfe genug geben.
Aber ich glaube an das Gute im Menschen und sage jetzt einfach mal: die haben genug Helfer. Hier in der Nähe ist das ähnlich. Es finden sich doch immer wieder welche. Gottseidank.
Ja, das ist schon gut, dass hier so viel geholfen wird. Ich freue mich immer wieder über die große Bereitschaft und Solidarität.
Da bleiben mir wohl nur noch die Igel. Und seit gestern ein kleines rotes Kätzchen, das ums Haus schleicht. Wo die immer herkommen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.