Lasagne oder Hommage an L.

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Glück gehabt, sag ich zu ihr heute Morgen, aber sie hört schon nicht mehr zu, weil sie sich so intensiv mit ihrem Frühstücksbrötchen beschäftigt. Ich bin ein bisschen sentimental und klopfe ihren Hals, das duldet sie, aber gerade so, denn für Schmusereien hat sie kein Verständnis. Essen. Sonnen. Und dass sich keiner einmischt oder was will von ihr, dann klappt das Zusammenleben.

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Als ich zehn acht war, wurde mir der klassische Kleinmädchenwunsch erfüllt: Ich bekam ein Pony, genau genommen sogar zwei, ganz genau genommen gehörte eines meinem Vater. Sie hießen Strolch und Susi, das war reiner Zufall, denn meines, das braune, hieß schon Strolch und mein Vater, der Witzbold taufte seines nach einer Verflossenen: Susi, weil sie die gleichen schönen Augen hatte. Meine Eltern hatten sicher in ihrem Leben nie einen Trickfilm gesehen. Ich hab erst viel später von dem Hundedings erfahren.

Der Strolch hat direkt in den ersten Tagen geklärt, was er von kleinen Mädchen hält, gar nichts nämlich, und ich ging dann richtig reiten lernen, das half ein bisschen. Trotzdem bin ich gefühlte 1000 mal runtergefallen, hab mir einen Vorderzahn ausgeschlagen aber sonst keine ernsthaften Verletzungen davongetragen. Dennoch bin ich nicht sicher, ob ich Ponys als Spielzeug für Kinder unbedingt empfehlen würde. Als ich ein Teenager war, waren die dann abgemeldet, wurden murrend versorgt und zottelten so nebenher, vermutlich die schönste ruhigste Zeit ihres Lebens.

Während ich mit 19 allein am anderen Ende der Welt versuchte rauszufinden, wer ich bin, starb der kleine Strolch an Altersschwäche. Die Susi und ich waren ziemlich lange ziemlich unglücklich, immerhin waren wir fast über 10 Jahre beieinander. Und sie war so einsam. So einsam, dass ich eines Tages, ich hab schon in Stuttgart gewohnt, war aber am Wochenende manchmal da, auf eine Anzeige anrief: Viele Pferde zu verkaufen. Oder so. Jedenfalls war es um die Ecke und ich fuhr gleich mal hin.

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Es brach mir das Herz. Mindestens 20 Pferde, in einen dunklen engen Verschlag gesperrt, überall verletzt, mit dicken Beinen, jaaaa, sagte der polnische Pfärdehändler, die kommen aus Rumänien, waren fünf Tage in engem Lastwagen. Zwei gestorben. Anstatt sofort den Tierschutz zu verständigen, fragte ich nach dem schwarzen. Das sei schon weg. Na gut, dann das weiße vielleicht? Kann ich mal probieren? Das weiße wollte nicht galoppieren, denn es hatte bisher nur einen rumänischen Karren gezogen, auch sonst konnte es eigentlich nichts. Ach egal, das nehm‘ ich. Auf Probe. Ich lieh mir einen Sattel und ritt nach hause. Und habe mich in meinem Leben nie sicherer gefühlt auf einem Pferd.

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In den drei Probewochen war sie vorbildlich. Sie lernte, dass man getrocknetes Brot fressen kann und wie man galoppiert. Ich bezahlte den Pferdehändler, bar natürlich und verständigte den Tierschutz. Aber in dem dunklen Loch war kein Restchen von Pferd mehr, auch kein Händler weit und breit. Natürlich würde ich das heute alles anders machen.

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Irgendwann war sie dann aus dem Gröbsten raus und zeigte ihre wahre Persönlichkeit: Andere Pferde? Geh mir weg (arme Susi). Menschen? Naja. Am ehesten Männer. Ich so zur Not. Kein Riegel, den sie nicht aufbekam, keine Reitbeteiligung, die sie nicht in den Dreck warf. Nur die eine nicht (die blieb mir auch fast zehn Jahre). Wir zwei waren reiterlich ein grandioses Team, machten riesige Touren über Stock und Stein. Einmal sind wir im Moor versunken, einmal fiel sie auf meinen Fuss (650 kg), sie war immer die Mutigste und natürlich die Schönste. Jetz isse in Rente. 20 Jahre wohnt sie jetzt hier. Altes Zirkuspferd.

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Unsummen habe ich für Tierärzte bezahlt, zwei schwere Unfälle hatte sie, einen mit dramatischer Kopfverletzungen und Klinik. Seit Jahren eine chronische Bronchitis, Koliken, Hufgeschwüre. Wenn sie keine Lust auf Kommunikation hat, schubst sie böse. Sie hat eine fremde Schulter und meinen Fuß gebrochen.

Ach, meine dicke alte rumänische Kuh.
Ich bin so froh, dass Du in keiner Lasagne bist.

11 Gedanken zu „Lasagne oder Hommage an L.

  1. bonanzaMARGOT

    bist du das auf dem schimmel? nett. (ohne sexismus.)

    ich habe in meinem leben keine tiere geliebt – sonst würde ich vielleicht ähnlich über den fleischkonsum denken.
    was die massentierhaltung angeht, schaudert es mich auch.
    aber ansonsten sehe ich nichts verwerfliches daran, fleischprodukte oder allgemein tierische produkte zu essen/trinken. allerdings muss es wirklich nicht in dieser menge sein. da stimmme ich dir zu.
    bei nun siebenmilliarden menschen könnte man auch menschenfleisch zu nahrungsmitteln verarbeiten. die organe werden sowieso schon ausgeschlachtet. damit kann man menschenleben retten. also warum nicht mit dem fleisch?

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  2. montez

    Danke (ohne Sexismus).

    Es ist alles ganz einfach. Ordentliche Tierhaltung und angemessene Preise machen vernünftigen Konsum, machen die Erde weniger kaputt und bessere Lebensbedingungen. Dann sind Deine Überlegungen zum Verarbeiten von Leuten eh hinfällig. Find ich im Übrigen eine blöde Idee.

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  3. bonanzaMARGOT

    meine idee der verarbeitung von menschenfleisch war provokativ.
    man kann manchmal nur durch provokationen das eingefahrene denken der menschen aufrütteln.
    leider.

    und leider werden die preise in absehbarer zeit nicht vernünftiger werden. der konsum auch nicht. sie bedingen sich.
    es ist dasselbe mit kinderarbeit und dem ganzen scheiß, was der mensch auf der welt treibt, um geld zu machen.

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  4. Casino

    ich bin auch froh, dass sie in keiner lasagna ist. sieht doch jeder, dass sie vor keinen karren gehört! können sie ihr von uns auch einen apfel wetergeben?

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