Vermutlich ist schon aufgefallen, dass ich ein Kippenbergergroupie bin. Der gute Martin war nicht nur eine unerträgliche Nervensäge, ein begnadeter Kalauerer und ein maßloser Säufer, ich verdanke ihm auch einen der schönsten Abende der letzten Jahre. In einem durch und durch schlechten Jahr.
Und das kam so: Im Jahre 2011, im Sommer, hatten sich die Zustände im Hause Montez/Schulze zu solcher Unerträglichkeit verwickelt, Lug und Trug lauerte in allen Winkeln der adretten Maisonette und jedes noch so gut gemeinte Wort war der Beginn langer und zielloser Auseinandersetzungen, was wessen Schuld und wer angefangen und falsch, böse und schrecklich und überhaupt. So wurde entschieden, dass man den unvermeidlichen Auszug separat gestalte, der F. weilte auf dem umbrischen Landsitz, währens ich freudlos meine siebzehn Habseligkeiten in blaue Müllsäcke verpackte. Tagsüber. Abends traf ich Freunde, allesamt dem F. nicht wohlgesonnen und wir schimpften, tranken und verwünschten, während meine Tränen geduldig getrocknet wurden.
Eines Morgens dann in der Post: Susanne Kippenberger liest aus ihrem Buch in einer Dachwohnung in der Kollwitzstrasse. Ich gleich so: JJ, kommste mit zu Kippenberger? Der JJ: Wer ist das? Ich: Wird dir gefallen. Was für ein wunderbares Ablenkungsabendbrogramm. Literatur in den Häusern der Stadt bedeutet, private Gastgeber öffnen ihre Wohnung für ein kleines Publikum, das dort bei einem Imbiss einem Schriftsteller lauschen kann.
Also an jenem Abend den vorläufig letzten Müllsack ins Eck geschoben, gewaschen, Lidstrich gezogen und los. Um die Ecke. Und da alles zu jener Zeit nicht so war wie immer auch das: Ich war ein Viertelstündchen zu früh. Gegenüber der Spielstätte ein Schuhladen (einer meiner Lieblingsschuhläden). Rein, Schuhe probiert, gekauft, raus, aufs Bänkchen gesetzt, alte Schuhe aus, neue an.* Acht Uhr. Auf die Minute.
Ein wunderbarer Sommerabend. Eine wunderbare Wohnung mit Dachterrasse. Wunderbare Gastgeber, ein schwules Paar, Fotografen, die das das ganze Haus direkt nach der Wende gekauft, sich den obersten Stock spektakulär renoviert hatten und die restlichen Wohnungen zu marktunüblich moderaten Preisen vermieteten. Eine mitreißend lesende Autorin, eine wildgemischte andächtige Zuhörerschaft und mengenweise Kaltgetränke. Nach der Lesung mit dem wunderbaren Freund vertrautes Gespräch, Weisswein und Zigaretten, Blick von oben auf die Kollwitzstrasse. Der Duft der Linden. Ein Neubeginn.
* Diese Schuhe trug ich am Freitag bei einer hiesigen Ausstellungsvernissage. Sie wurden sehr gelobt. Hier in der Provinz kann man mit Schuhen von 2011 noch was reissen!
Und mal wieder nach Berlin, das muss doch zu synchronisieren sein!
Das möchte man meinen! Icke wohl erst Anfang Juni wieder nach B. Hab dauernd Besuch und dann muss ich ja noch nach P., mit K. Aber nach S. wollt‘ ich auch mal wieder. Ins Museum, alte Wirkungsstätte. Das wird!
Anfang Juni klingt jut.
Dann streben wir das mal an!
nee! bei nicolaus und christoph? mann, da wäre ich um ein haar auch hin gekommen, ich weiss noch, wie ich drüber nachgedacht habe! die beiden kenne ich gut, seit ich in den endneunzigern mal bei ihrem damaligen kunstverein mitgemacht habe. die absolut tollste wohnung im kiez, da gebe ich dir recht. ich hätte auf jeden fall ein kompliment für die schuhe ausgesprochen, auch unbekannterweise.
Ach! Ich glaub, die hiessen so. Und waren beide sehr nett und charmant. Wie toll, dass Du die beiden kennst, da darfst Du bestimmt manchmal auf der Terrasse sitzen?! Vielen Dank, die Schuhe mag ich auch immer noch sehr.
Wie klein die Welt ist.
ja, ich durfte sogar ein paar sylvester von oben aufs feuerwerk berlins gucken, very special. sie sind sehr nett und besonders und haben sogar gelegentlich meine jungs bewirtet, das gibt immer extra dicke steine im brett.
Ooooh! Großartig!
Kann ich mal mitkommen?dass ich Ihre Stimme beim Lesen höre.
Schön.
Schöne Geschichte. Mit neuen Schuhen in ein neues Leben stiefeln.
Vielleicht interessiert Sie dann auch die Ausstellung Letzte Bilder – Von Manet bis Kippenberger, die noch bis zum 2. Juni in der Schirn in Frankfurt zu sehen ist.
Ja. Die Schuhe haben gut gepasst. Zum Aufbruch.
Na sowas. Freut mich.
Ja, Frankfurt steht auch schon lange an. Irgendwie habe ich es dann aber immer so eilig, wenn ich längs durch Deutschland rase, dass ich behaupte zum Aussteigen keine Zeit zu haben. Was sowieso albern ist. Ja!