Bruno Epple

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Eine Schachtel Reval am Tag, sagter, und daß er jetzt bestimmt nicht mehr aufhört. Und ich kann es mir nicht verkneifen: Kennst Du die Gräber dort im Tal … Kennter nicht, rufter, und erzählt statt dessen eine Geschichte, wie kamen wir bloß aufs Heiraten, von einer jungen Dame, die sich zu Beginn der in Radolfzell geschlossenen Ehe für sein Dafürhalten unangemessen lange mit dem Aussuchen der Gardinen fürs Gästeklo aufhielt. Jahre später traf er sie in der Straßenbahn, das muss so um 68 gewesen sein, sagter ein wenig abfällig, in Bremen, sie sei nun geschieden und studiere Soziologie um dann der Menschheit zu dienen. Und später habe sie noch einmal geheiratet, einen Buchhalter aus der Bremer Senatsverwaltung, habe er gehört. Wenn das kein Leben ist, sagter, da sieht man mal wohin das führt.

Vorher draußen am Feuer. Beim Rauchen.

Letztes Jahr hat mich die Greisin in eine Ausstellung geschleppt, ich, die ich immer abfällig übe die Provinzkunst lächle, mochte das. Und ich mochte die Gedichte dazu. Die er hier heute vorliest, voller Inbrunst und Freude an den Worten, wie er schnalzt und zischt und rollt, genau wie sein Freund, der Professor auf seinem riesigen Saxophon. Zwischendurch. Von dem ich schon länger ein Fän bin. Und ich habe ein warmes Gefühl von Heimat zu dieser Mundart, die ich mein Leben lang kenne und verstehe (nicht spreche, was ich inzwischen sehr bedaure). Man hört ihm die Nähe der Schweizer Grenze an. Kleine Unterschiede. Klitzeklein, nur für Fachleute.

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Iberm See
ufm Thurgauer Rucke
wandlet s Johr duri de Wald
und driberthii d Sunne
vu Konschtanz ufe bis abi
gi Schaffhuuse
und rundet mer so mi Wält ab.

Und ich bin ganz im Reinen mit meiner Provinz, wo zwei alte Männer in einer Schreinerei ein Kunstwerk erschaffen. Voller Lebensfreude.

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Und der Bubi hat extra die Festtagssocken angezogen.

9 Gedanken zu „Bruno Epple

  1. Friederike (Gast)

    …diese Art von Kultur – die vermeintliche Provinz-Kultur – inzwischen für deutlich bedeutsamer als manch anderes. Die beiden Herren – ich gestehe – kannte ich nicht.

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  2. montez

    Ja, da sind schon Perlen dabei, die zwei da oben, sind wohl eher Regionalgrößen, das reicht vermutlich nicht bis zu Ihnen in den hohen Norden (von Baden ;)

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  3. Croco (Gast)

    Da hat er Recht. In den Kleinigkeiten erkennt man Größe, oder eben Kleinheit.
    Provinzkunst. Man freut sich so sehr auf solche Abende.
    In der Stadt ist das immer. Gehen wir heute oder Morgen oder Samstag?
    Ist viel weniger einzigartig.
    Das ist übrigens meine Großmuttersprache.
    Sie kam von dort. Mein Vater hatte sie noch ein bißchen.
    Mein Dialekt ist dann so ein Durcheinanderschwäbisch mit badischem Swing.
    Wird aber hier nicht gebraucht, nur ab und an. Es gibt Exilanten, auch in der Rheinprovinz.

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  4. montez

    Immer wenn ich unseren Dialekt im Fernsehn höre, zum Beispiel als hier die beiden Flugzeuge zusammen gestoßen sind und manche meiner Nachbarn wichtige Sachen in die Kamera gesagt haben, denke ich: Oh, das hört sich ja an wie schwäbisch. Live denke ich das komischerweise nie. Ich finde den Ausdruck Seealemannisch ganz treffend.Wobei die Leute hier so vehement auf ihr Badischsein beharren wie vermutlich nirgendwo anders in Baden. Und wir sind ja nur ein paar Kilometer weg von der Grenze.

    Bewahren Sie sie im Herzen, sie wird immer weniger. Das Patenkind, in eine absolute Dialektfamilie geboren, spricht auch nur noch hochdeutsch.

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