Also gerade frage ich mich, warum so viele Menschen in meiner digitalen Umgebung direkt in hytherischen Beifall und/oder selbstmitleidiges Klagen ausbrechen, wenn irgendwo gerufen wird: Mach’s gleich, nutze den Tag und warte nicht, bis Du tot bist. Ich rätsle. Was all diese Menschen davon abhält, wie sie offenbar selbst feststellen.
Es geht hier ja nicht um fundamentale Dinge, wie die Welt zu retten, irgendwo hin auszuwandern, oder sowas wie ein Buch zu schreiben oder eine Platte aufzunehmen. Wobei, die letzten beiden sind ja heut auch nicht mehr so schwierig zu bewerkstelligen. Keine Zeit lasse ich nur in wenigen Fällen gelten, denn ich kenne viele Menschen. Und ich weiss, wieviel Zeit die so verdaddeln. Kein Geld gildet (!) auch meistens nicht, mein Flug nach Shannon kostet knapp hundert Euro. Retour. Und viele Dinge kosten gar nichts.
Ich meine eher die Sachen, von denen unlängst bekannt wurde, sie werden auf Sterbebett am meisten bereut: Zu viel gearbeitet (man glaube mir, so viel arbeiten, dass es gerade reicht ist super, weniger konsumieren ist noch superer*), zu wenig Gefühle ausgedrückt: Warum? Schüchternheit? Das verstehe ich am ehesten. Aber: kann man üben. Ich übe gerade, genau, wie ich versuche, den Großteil der Rottweiler in meinem Leben wegzuschaffen. Schreibe Mails mit Was ist da eigentlich zwischen uns, höre auf (und siehe da, es klappt öfter) beleidigt zu sein, nachtragend. Mache den Mund auf und spreche an, was mir missfällt, und lerne manchmal mit Schmerzen, die bessere Tonlage zu finden. Nicht zu brüllen und nicht in Tränen auszubrechen. Glücklicher sein: Was hält uns ab? Nein, was hält die anderen ab? Ich bin sehr glücklich, ich bin krank, ich habe keine Kinder, keinen Partner und ich liebe dennoch wie verrückt, und ein bisschen werde ich zurück geliebt. Das ist super. Amen.
Natürlich gibt es Unglück. Verlust, Tod, Krankheit, Gewalt, Armut, Krieg. Aber es gibt auch ruhige Zeiten. In denen wir (Sie doch sicher auch), in der Nase bohren, im Internet rumhängen und maulen. Anstatt. Oder?
Ich staune noch immer darüber, wie mir die Welt begegnet, seit ich freundlich zu ihr bin. Verrückter Scheiss. Nur weil man jemanden anlächelt. Wenn ich das früher gewusst hätte, oder ne, ich wusste das, ich hatte es nur vergessen, in B. Seit ich weniger misstraue. Klar, ich werde mal beschissen, aber das ist sehr sehr selten.
Alles ist richtig, auch Weltschmerz und Missmut, solange man sich nicht dauernd beklagt. Was man alles verpasst. Viele Dinge, viel mehr als man denkt, kann man ändern (ausser manchmal, manchmal kann man nicht, wer wüsste das besser als ich. Bloss manchmal zieht man sich einfach ins Nörgeln zurück.)
Jedenfalls, ist ja nett, der Slam von der blonden Studentin, der einem gerade allerorten um die Ohren fliegt. Aber. Ja? Los!
Ach übrigens, kaum eine brüllt beim Autofahren so wie ich, gerne auch so altmodische Sachen wie: Hast wohl Dein‘ Führerschein im Lotto gewonnen? Oder auch frauenfeindlich Na klar, typisch, Du dämliche Kuh, lass lieber Vati fahren oder einfach nur Was glotztn‘ so bescheuert? und viel Schlimmeres, was hier nicht verschriftlich werden soll. Auch das ist ungeheuer wohltuend. Ich schwöre.
* Ja, ich habe keine existentiellen Sorgen, das ist eine großartige Grundlage für Glück. Aber nicht die einzige.