Mariannenplatz

Als ich des Nachts in rätselhaften Schleifen vom Wrangelziez nach Hause radle, muss ich wiedermal bemerken, dass Kreuzberg ein wahrhaft weisser Fleck auf meinem Berliner Stadtplan ist. Dass ich 36 fast nur aus Scherben-Liedern, dem (wie ich finde) superen Kippenberger-Buch und vom 1. Mai-Fernsehprogramm her kenne.

Nicht zu fassen, fast 20 Jahre habe ich in dieser Stadt gelebt und klar bin ich manchmal jemandem hierher hinterhergezockelt, aber von Orientierung kann in Kreuzberg wahrlich keine Rede sein. Während ich also durch die Herbstnacht irre, klingt es auf einmal so, wie Klein-Montez sich Berlin früher erträumt hat: Ein Soundtrack mit Bowie, Iggi Pop, Ideal und Rio Reiser. Häuserkampf und Pflasterstein. Gross, laut und gefährlich. (Naja, in Wirklichkeit waren am Kotti ein paar Erasmus-Studenten unterwegs).

Da muss ich hin! Fand Klein-Montez damals. Und als ich dann da war, war die Mauer grad gefallen und im Osten konnte man für kein Geld wohnen, einfach rein und los. Es gab Dienstags-, Mittwochs und Sonstwie-Bars, Clubs in öffentlichen Klos, in Kellern von Discountern, Tresoren und so weiter, ist ja hinlänglich bekannt. In den Fassaden waren Einschusslöcher und es roch nach Ofenheizung. Strassen hiessen heute so und morgen anders. Man konnte an der Wissenschaftsakademie studieren und nachts auf Dächern sitzen. Große Kunst betanzen. Keine Auberginen kaufen. Sachen auf der Strasse finden. Oder auf dem Polenmarkt. Ausschlafen.

tach

West-Berlin? Nä. Da war der Hund begraben. Fand ich. Und jetzt fahre ich ergriffen durch diese Strassen, deren Namen mir mal Versprechen waren. Löse ich nun 20 Jahre später ein. Hallo Kreuzberg! Ick freu mir.

2 Gedanken zu „Mariannenplatz

Schreibe einen Kommentar zu Nio Choque Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert