Archiv für den Monat: September 2012

Schwafeln und Faseln

Das Gute am geschriebenen Wort ist ja, dass es nur ein Minimum an Motorik bedarf, um ihm zu entkommen. Zuschlagen, umblättern, wegklicken oder einfach nur die Augen schliessen.
Falls es Ihnen, falls es Sie überhaupt gibt, hier also zu viel werden sollte, siehe oben. Viel weniger Aufwand als Ohren zuhalten und/oder wegrennen.

Ich jedenfalls entwickle gerade ein enormes Mitteilungsbedürfnis. Da scheint sich ja doch was aufgestaut zu haben. Die Mitteilungen sind leider ohne Relevanz. Tja.

Nachdem ich also den Cabriomann an der Tankstelle in Berliner Tonart nierdergebrüllt hatte (ganz der Vater), mich im selben Moment geschämt und entschuldigt habe, entschoss ich mich, das Spezialangebot im Rahmen des herannahenden Urlaubs in Anspruch zu nehmen. Die Reise zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit. Am Marontistrand. Und in diesem Zusammenhang meine tiefverwurzelte Abneigung zu Yoga im Allgemeinen und zu Yogalehrerinnen, die ihre profanen deutschen Nachnamen wie Schulze, Schmidt oder Müller mit klangvollen indischen Vornamen wie Indira oder Talulla oder so aufmotzen (oder ist das Sanskrit?) im Besonderen zu überwinden. Es zumindest zu versuchen. Ich habe zwar Vorurteile, aber ich bin ja nicht unbelehrbar. Sie werden informiert werden.

Danach (also ab Oktober) werde ich also mit heiterer Gelassenheit reagieren, wenn die blöde Kuh im Secondhandshop keines meiner hochwertigen Kleidungsstücke für den Weiterverkauf an das saturierte Bodenseeklientel für geeignet hält (nehm‘ ich sie halt mit nach Berlin, da sind die Menschen sogar über einen Teller Wassersuppe froh).

Wenn der Mann im Stromladen mir erklärt, dass an der teuren Waage zwar nur ein winziger Nupsi abgebrochen ist, dass sich aber auf keinen Fall eine Reparatur lohnt.

Wenn der Schuster, der tatsächlich sehr nett ist, die letzten Ausläufer jugendlicher Zerstörungswut eines dreifarbigen vierbeinigen Mitglied dieses Haushaltes total unzureichend restauriert. Meine schönen sündenteuren handgenähten Kalbslederstiefel. Verdammter Köter.

Wie Sie sehen, das war heut nicht mein Tag.

Koffer in Berlin

Fehlt mir die Stadt? Das Theater, die Bars, die Freunde? Das Nachtleben gar?

Ab 1993 habe ich in Ostberlin gewohnt. Erst Münzstrasse, im schönsten aller Häuser, Zwischenmiete bei Thomas, Dusche in der Küche, immerhin, ein geteiltes Zimmer mit I.. Dafür konnte man über die Dächer in die Clubs. Der Toaster war gleich neben an.

Stubbenkammerstrasse. Ex-Junkie-Wohnung, Hauptmieter aber war Falko H., der berühmte Autor. Wir haben erst mal fünf Müllsäcke mit Arghs rausgeschafft. Falko wusste vom Zustand seiner Butze nichts, fands dann aber nicht so schlimm. Parterre Hinterhof, keine Dusche. Zum Waschen ins Thälmannbad. Kohleofen. Dunkel. Kalt. Oberdrüber Gudrun mit dem tollen Nachnamen, die Künstlerin mit der Wohnung voller in Formalin eingelegten Kreaturen. Boah.

Wichertstrasse. Beheizbare Küche (Kochmaschine)! Badezimmer, ohne Heizung. Kohleöfen. Vierter Sock. Immer mit I.

Wieder Stubbenkammerstrasse. Diesmal mit Zentralheizung. Zwei Balkone, Dielenboden und Stuck. I. wohnt dort immer noch.

Ich dann Ackerstrasse. Dann Schwedter. Dann mit dem F. in der Schwedter. Parkett. Fussbodenheizung. Aufzug.

Der große Knall: Ich bin nach Kreuzberg gezogen. Viel Zeit habe ich dort noch nicht verbracht, bin ja meist hier am Bodensee. Aber ich mag diesen Kiez. Ich mag die Wohnung. Ich mag das Gefühl, in einer fremden Stadt zu sein, in der ich mich verlaufe. Strassennamen zum ersten Mal zu hören. Selten zufällig jemandem bekannten zu begegnen. Mit den Schultern zu zucken, wenn die Taxifahrer mich nach dem richtigen Weg fragen. Ich finde die Leute dort ALLE hinreißend.

Nächste Woche fahre ich nach B. Werde jeden Morgen im
Barcomie’s frühstücken. Mittags Salat aus grüner Papaya essen.
Dumplings. Den Hockney anschauen in der Neuen Nationalgalerie. Durch die Auguststrasse schlendern. Mir von Julia die Füsse machen lassen. In Bars rumhängen. Zigaretten rauchen. Einmal Wiener Schnitzel im
Austria essen. In der Markthalle köstliche Sachen einkaufen. Vielleicht mal ins Theater? Ein Paar Schuhe? Ein paar Schuhe?

Ne, fehlen tut sie mir nicht. ABER ICH FREU MICH!
Und vorher noch auf die d13!

Netzgeschichten

Nach über zehn Jahren ist es also soweit. Ich schreibe (mal wieder), anstatt zu nur zu lesen. Ob das gut geht …

Wie habe ich sie geliebt, die wunderbaren neuen Spielwiesen des Internets, auf denen ich unbekannt und ziemlich unbemerkt unter den idiotischsten Pseudonymen herumgetollt bin. Modemzeit. Was ein Blog ist wusste ich nicht. Gab’s das?

So schrieben wir gemeinsam auf lange Klopapierrollen, was wir für Literatur hielten, stritten uns, lobten uns und übten öffentlich, irgendwann gingen wir Bier miteinander trinken und die eine und der andere landeten im Bett. Die neuen Internetverbündeten.

Und erst da war es vorbei mit der Unschuld: Wir laden Sie ein in unserem tollen Literaturforum zu schreiben, aber wenn, dann nur unter Klarnamen. Rumms. Ein paar letzte Zuckungen noch, nachzulesen im Forum der 13.

Die einen sind heut Schriftsteller (manche waren es damals schon), die andern kritzeln immer noch auf’s Klopapier, manche gehen noch zusammen Bier trinken und zumindest ich mit keinem mehr ins Bett.

Ich weiss auch nicht. Warum es damals so abrupt seinen Reiz verlor, als man dann wusste, wer ich bin. Wahrscheinlich war es wie später bei Frau Fischer, man erzählt den Unbekannten, die sich keine Sorgen machen, nicht irritiert sind oder beleidigt. Vielleicht war ich dort mehr ich selbst als anderswo.

Also jetze hier. Muss erst mal wieder warm werden.

Knirsch

Als ich den F. kennengelernt hatte und alle Kraft, die ich vorher fürs Schreiben nutzen konnte, auf einmal in die Liebe investieren musste, kam das Fotografieren. Das war gut für weniger Aufwand. Und jetzt ist es mein Liebstes geworden.

Seit der F. weg ist, sind wieder Reserven da, ein bisschen habe ich schon gemalt, bei den Antros im Gewächshaus auf dem schönen Hof, mich Goethes Farbkreis verweigernd, aber die nette Frau Müller hat gleich bemerkt, dass sie mir nicht reinreden sollte. Das war toll. Und vertieft.

Und das Hühnerstallatelier ist ja nun fertig. Wenn ich nur ein Bild einstellen könnte. Grmpf.

atelier02

Ha! (Nachlesen hilft!)