Macht

Davon abgesehen, dass sicher die meisten Frauen den des Nachts hinter ihr die U-Bahnhoftreppen heraufsteigenden Mann als potenzielle Bedrohung wahrnehmen (wie schrecklich und ungerecht), jede mal von einem unter dem Mantel nackten Würstchen angewedelt wurde (was tatsächlich an Armseligkeit kaum zu überbieten ist, aber allein nicht sonderlich witzig) und wie viele beim Ausgehen, beim Nachhausegehen, beim einfach Gehen allerlei Handgreiflichkeiten und verbalen Bedrängungen ausgesetzt waren, gibt es auch noch diese fiese andere Variation von Dings, die ich in meinem kleinen Beispiel erzählen will.

Als der damalige NATO-Generalsekretär Manfred Wörner überraschend starb, war ich ein kleines junges hübsches Mädchen, gerade 22 Jahre alt. Es ist/war ungerecht, aber üblich, dass Dienstvillen (in diesem Fall die in Brüssel) mit Preziosen aus dem (ehemaligen) Wahlkreis eines Politikers ausgestattet werden. Nach dessen Tod muss der ganze Schamott wieder nach hause und man schickte mich, vor dem Abtransport alles in Augenschein zu nehmen. Am Flughafen stand eine NATO-Limousine mit getönten Scheiben bereit, um mich ins Sofitel (haha) zu schaffen. Als Palituchtragende Pazifistin eine unwürdige und ziemlich skurrile Situation. Aber ich wollte ja was anderes erzählen.

Am nächsten Morgen wurde ich von der Limousine mitsamt General oder Wasweissich zur Besichtigung des NATO-Hauptquartiers abgeholt. Na klar wollte ich das sehen, das Zentrum des Bösen. Der mit Orden geschmückte Wasauchimmer bemühte sich freundlichst und erklärte mir dieses und jenes, und bei jeder kurzen Autofahrt, die Wege sind ja dort sehr lang, rückte er ein wenig näher an mich heran. Wir speisten gemeinsam in der Kantine und ich fühlte mich zunehmend unwohl, was weniger mit der bescheidenen Verkostung und der Uniformhäufung um uns herum als mit den unverholener werdenden schleimigen Schmeicheleien und Tätscheleien des hohen Herrn zu tun hatte. Glücklicherweise musste ich dann in die Villa, wo ich mit Frau Wörner noch ein Tässchen Tee trank und ein wenig gepflegte Konversation machte, bevor ich die Gemälde begutachtete. Aber der Ordenträger hatte gedroht, mich dann zum Abendessen abholen zu lassen.

Die ganze Situation hat mich völlig eingeschüchtert. Ich war nicht in der Lage, ihm einfach zu sagen, er solle mich in Ruhe lassen. Dennoch habe ich es, all meinen Mut zusammennehmend geschafft, später aus dem Hotel in seinem Büro anzurufen, und das gemeinsame Abendessen abzusagen (seine Frau sollte wohl nicht dabei sein).

Mir wird heiß, wenn ich daran denke, dass ich ihm später noch geschrieben habe, um mich für die Absage zu entschuldigen. Ich. Habe. Mich. Entschuldigt.

Nichts Großartiges ist passiert. Er hat nicht mehr getan, als seine Hand auf meinen Oberschenkel zu legen. Vielleicht hat er sie noch ein bisschen nach oben geschoben. Aber diese ganzen Verflechtungen von Macht, Männlichkeit, Autorität, körperlicher Überlegenheit und bewusster oder unabsichtlicher Einschüchterung haben dazu geführt dass ich mich fühlte wie ein waidwundes Rehkitz. Die großmäulige neunmalkluge emanzipierte Montez. Ich möchte das nicht.

4 Gedanken zu „Macht

  1. montez

    Erst war ich genervt von dem Thema. Bei den heute geführten Gesprächen war jedoch schnell offensichtlich, dass wohl jede Frau aus dem Stehgreif mindestens drei Situationen aufzählen kann, in der sie von einem Mann bedrängt wurde und Angst hatte.

    Mein Fahrlehrer hat sogar gesabbert.
    Damals in Rom, als ich mich nicht mehr getraut habe, das Hotel zu verlassen, weil auf der anderen Strassenseite eine Horde Kerle auf mich gewartet hat.
    In dem Club in Dublin, als mich auf der Tanzfläche ein Typ an die Wand gedrückt und mir zwischen die Beine gefasst hat. Keiner der Anwesenden hat mir geholfen. Uswusf.

    Das war übrigens ein typischer Fall von Wenn die Tussi so aufreizend tanzt, braucht sie sich ja nicht zu wundern.

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  2. kid37

    Deswegen finde ich den Begriff „sexualisierte Gewalt“ auch hilfreicher als „Sexismus“. Der führt dazu, daß Frauen immer noch 25, 30 oder mehr Prozent weniger verdienen weniger Aufstiegschancen haben usw. Der Gewaltbegriff führt meines Erachtens weiter und fällt auch nicht hinter die Genderdebatte zurück, wie Teile der Diskussion in den Blogs gerade. Macht wird dort ausgeübt, wo man am verwundbarsten ist. Frauen werden sexuell bedroht und herabgewürdigt, Männer durch andere physische Gewalt. Frauen hacken untereinander auf andere Weise oder stellen Hierarchien her. (Frauen wenden aber auch körperliche Gewalt an, darüber wird auch zu wenig geredet.) Der #Aufschrei ist ein wichtiger Tritt vors Schienbein. Aber die Diskussion sollte sich eher mit Hierarchie, Macht und Herrschaft in unserer Gesellschaft befassen. Ich glaube nicht, daß das ausschließlich mit Geschlecht und schon gar nichts mit Sexualität zu tun hat.

    Wobei ich das Phänomen „männliche Dominanz“ und das Streben danach überhaupt nicht in Abrede stelle.

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