Archiv für den Monat: Februar 2013

Ganz knapp

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Um Haaresbreite hatten sie mich soweit. Im letzten Moment habe ich dann doch noch geschwächelt. Das sei sowieso nix für Intellektuelle war die beleidigte Replik. Und ich hab mich sehr amüsiert und an den F. gedacht, der immer lautstark an meiner mangelnden Intellektualität litt. Alles eine Frage des Maßstabs.

Der Bubi und ich haben stattdessen nach dem Hänselejuck ganz existenzialistisch unverkleidet zu kohlensäurehaltigen Getränken noch eine Tüte Kartoffelchips und ein paar Kokostopküsse (er), jaja, so heissen die heute, verzehrt und den lieben Gott einen alten Mann sein lassen, wie der F. zu sagen pflegte. Redewendungen waren nämlich sein Fachgebiet.

Tja. Vielleicht wäre es die Nacht der Nächte geworden.
Wir werden es nie erfahren. Im nächsten Jahr?

Jetz wirklich heute

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vor 20 Jahren bin ich nach Berlin gezogen (hatte mich noch um zwei Tage vertan).
Und ziemlich ungefähr heute vor zwei Jahren bin ich wieder an den langweiligen hübschen Bodensee zurückgekehrt. Aber manchmal darf ich nach Kreuzberg.

Grad fehlt es mir ein bisschen, das dicke stinkige B. Obwohl es mir sowas von zum Hals raushing. Aber es konnte auch nicht alles dafür. Aber schon auch.

Sweet dreams that leave all worries behind you

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Das Bild passt nicht, aber ich hab kein anderes. Ist jedenfalls von Beuys (ich bin auch bisschen drauf).

Oder in Tirol einschlafen, in der Steiermark aufwachen.

Erst ein schmaler Bergpfad, rechts geht es ein paar hunderttausend Meter runter. Ich wackle und komme kaum voran, irgendwann ist nix mehr zum festhalten da. Kurz bevor ich abstürze bin ich plötzlich in München in diesem Restaurierungsatelier im Glockenbachviertel.

Dreissig Quadratmeter Tiepolo. Tonci, mein alter kroatischer Freund dreht neben mir wie wahnsinnig auf einem Bürostuhl und singt: Damit wirst Du niemals fertig. Ich sitze, mit gebeugtem Rücken und kratze mit dem Skalpell an einer von zweitausend ölhaltigen Übermalungen. Damit werde ich niemals fertig. Es klingelt. Tonci, also Anton hält inne und saust eilfertig zur Tür. Kommt herein mit Herrn Beuys, der natürlich einen Hut trägt und eine Rolle Packpapier unter dem Arm. Die er ausbreitet auf dem Tisch. Beschriftet mit Ochsenblut, völlig unlesbar inzwischen, Schollen bröseln mir entgegen, denn die Schrift war nach innen gerollt. Sie können mir helfen, hörte ich, sagt er, der Beuys und vor Schreck verschütte ich ein Fläschchen Aceton über dem Tiepolo, der auf einmal ein Pollock ist. Pollocks Rache. Pollock kann mir gestohlen bleiben hatte ich in Venedig gesagt, als ich mit meinem Liebsten vor der grossen Fahne stand, am Markusplatz. Er ging dann alleine und schwärmte von Motherwell und Newman. Ich kündige sage ich zu Herrn Beuys, lernen Sie erstmal etwas Maltechnik und zu Tonci, der Slibovitz in Senfgläser schüttet und uns nötigt zum Anstossen. Das wars meine Herren, auf Ex.

Und danach kam was mit Schladming und Skispringen.
Und dann war endlich Morgen.

Narri Narro

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Pünktlich zur Fasnet Schnee und kalt. Klappt immer, egal wann sie ist. Auch in diesem Jahr wird sie ausser zum Hänselejuck am Samstag (halten Sie die Kapellen durch) prima ohne mich auskommen. Dahin dann mit grossem Vergnügen, inzwischen habe ich auch keine Angst mehr, aber als Kind ist das sehr unheimlich.

Wir sind schon ein seltsames Völkchen.

Und dräut der Winter noch so sehr

Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muß doch Frühling werden.

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8:00 Uhr
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10:00 Uhr
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12:00 Uhr

Und drängen Nebel noch so dicht
Sich vor den Blick der Sonne,
Sie wecket doch mit ihrem Licht
Einmal die Welt zur Wonne.

Blast nur ihr Stürme, blast mit Macht,
Mir soll darob nicht bangen,
Auf leisen Sohlen über Nacht,
Kommt doch der Lenz gegangen.

[…]

Emmanuel Geibel 1815–1884

Keine hört auf mich

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Die ewige Meeroderbergefrage (die ja eigentlich keine Frage ist). Hab ich mal erwähnt, dass ich die Berge allerhöchstens aus der Ferne mag?
Und vielleicht ein paar Tage mit den Skiern runterfahren?

Natürlich ans Meer. Zu jeder Jahreszeit. Berge. Ts. Völlig überbewertet.

Also wirklich mit Herz

Seit ich selten in der Stadt bin, laufe ich wohl mitunter mit weit aufgerissenen Augen und herunterhängender Kinnlade in denselben herum. Was einen sehr schönen Effekt hat: Der Ausdruck dümmlicher Überforderung und unverholenen Staunens rührt die Menschen. Alle sind nett zu mir: Taxifahrer, Kellner, Portiers, Busfahrer und VerkäuferInnen. Überall. In Sevilla, in Malaga, in London, in Berlin, in Glasgow, in München. Alle erklären mir den Weg, verraten mir, wo es den besten Schnittlauch gibt, den nächsten Geldautomaten, wie die so sind beim Kreuzberger Finanzamt, wo man einen Hammer kaufen kann und so. Neulich bin ich im Bus neben einer älteren Dame gesessen, als wir den Heinrich-Heine-Platz passierten. Ob ich den kenne (den Dichter), wollte sie wissen, ich möge den sogar verriet ich, und dann deklamerte sie für mich mit lauter fester Stimme:

Denk ich an Deutschland in der Nacht,

Dann bin ich um den Schlaf gebracht,

Ich kann nicht mehr die Augen schließen,

Und meine heißen Tränen fließen.

Das blieb dann glücklicherweise aus.

Aber ich wollte ja von München erzählen. Meine Reisen dorthin erfüllen mich immer mit tiefer Zuneigung zu meinen drei sehr verschiedenen alten Freundinnen dort (die sich nur flüchtig kennen). Die K. hatte ich ja mit zwei Nächte gemeinsam in Altkleidern wühlen, schlimme Kalauer machen und auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen abgearbeitet. Des Abends zur zweiten: Der mondänsten und glamourösesten meiner Damenbekanntschaften. Sehr bestimmt, sehr streng, beruflich sehr erfolgreich und wenn sie einen liebt ist alles gut (wenn nicht, sollte man sich in acht nehmen). Sie habe mich in einem kleinen Gasthaus untergebracht, teilte sie mir mir, Stornierung sei nicht möglich, ihr koreanische Mitbewohner könne Übernachtungsbesuch nicht ausstehen.

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Ich reiste an, checkte ein, motzte mich auf und wir trafen uns in der Hotelbar. Und wechselten hierher zum Essen. Endlich mal was Ordentliches. Der Glasnudelsalat war wundervoll. Und der Loup de Mer sehr gut.

Die Lady trinkt gerade nicht. Was mich ja nicht abhält. Am Ende dieses wunderschönen zugewandten anregenden Abends war ich außerordentlich betrunken. Also sehr. Grossartig. Fiel ich elend spät in mein Gasthausbett, schlummerte wie ein Stein und erwachte wie üblich früh am morgen (Landei), aber wie nach derlei Ausschweifungen eher nicht üblich, frisch wie ein Frühlingstag. Es gab noch ein gemeinsames Frühstück mit stärkenden Eierspeisen und ich besichtigte kurz die neue Wohnung, eine Wahnsinnswohnung, drei Balkone, altes Eichenparkett, ein ausgestopfter Pfau oben auf dem Regal und eine Million schöne grosse teure Bücher. Allerdings nur bei ihr. Der Koreaner, Professor für Gestaltung, schläft in einer weissen Mönchszelle. Bett und Stuhl.

Dann eilig zur dritten, der D., die mittlerweile ihren ersten SM-Bestseller auf die Beine gestellt hat (als Verlagsleiterin). Auch hier gab es viel zu besprechen, dafür eignete sich der Spaziergang zum Nymphenburger Schloss und im anhängenden Park.

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Ein sehr schöner Park. Voller eingeborener Ornithologen. Dufter Trick, wenn man sich mal nicht ausreichend beachtet fühlt: Man hänge sich ein Fernglas um, betrete einen Park, verharre unvermittelt reglos und blicke nach oben. Alle bleiben stehen und fragen. In diesem Fall auch wir und wie wir erfuhren wegen der seltenen Seidenschwänze. Viel erkennen konnte man ohne Fernglas leider nicht. Aber deshalb waren wir ja auch nicht da. Daheim gab es Kaffee und selbstgebackenen Kuchen, nicht zielführende Debatten über die nächste gemeinsame Reise des Damenkränzchens (ojeh). Selbstgemachte Pasta. Und dann den Bodenseetatort, dessen angeblich bessere Sequenzen ich selig an D.s Schulter verschlief.

Und zwischendurch bekam ich noch eine Einladung nach Reykjavik, von einem isländischen Lichtkünstler mit Atelier in einem alten Kraftwerk, für Juni. Ich habe es wirklich gut.

Weltstadt mit Herz

Hach. Ich hab dann die Weltstädtischkeit gleich auf dem Ulmer Hauptbahnhof mit einer Portion Pommes von Burger King eingeläutet. In München wurde ich vom Zug abgeholt und in eine kleine hübsche Wohnung verschleppt, die nach alten Kleidern und Käsefüssen roch. Ne, so schlimm war es nicht und tatsächlich sind ein paar sehr schöne Sachen abgeliefert worden, die sich wiederum gut verkauft haben und so ein passables Sümmchen zusammen kam, das nach Kirgistan geht (mag ich nicht verlinken, möchte ja gerne ein paar Sachen auseinanderhalten).

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Nach Essenswünschen gefragt, wollte und bekam ich abends Asiatisch, genauer Japanisch, Maguro Teriyaki, ja, das war schon in Ordnung. Eine lustige kleine Beiz jedenfalls mit Berliner Vollbartpublikum.

Daheim dann weiter Bepper auf Kleider geklebt, dazu viel gekichert, probiert und wohl gefühlt. Und ich war sehr zufrieden, dass Konsum (ausser oralem) momentan keinerlei Reiz auf mich ausübt, habe ich doch gerade festgestellt, dass meine Schuhe noch für zwei bis drei weitere Leben reichen und werde sie nun mit Stolz und Würde auftragen. Mode hin oder her. Selbiges gilt für Oberbekleidung. Dem Trotzki ist eh wurscht, was ich anhabe.

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Diese unsäglichen Miu Miu-Latschen links sind von mir, was hab ich mir dabei bloss gedacht?

Am Freitag den halben Tag am Schreibtisch verbracht, ich bin schliesslich eine unentbehrliche Person auf einmal wollten alle noch was von mir, ein Glück hatte ich den Rechner dabei, und am frühen Nachmittag machte ich mich auf zum Kunstgenuss (bin dort der Marianne begegnet).

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An der Tramhaltestelle herumirrend, liebe Münchner, das geht auch besser mit den Schildern und Plänen, eine zauberhafte Bekanntschaft gemacht. Eine feine alte Dame erzählte mir von lustigen Leuchtfiguren Die nicken so und verbeugen sich, müssen Sie unbedingt anschauen im Keller der Pinakothek der Moderne. Selten war ich mehr versöhnt mit Nauman, der war dann aber gar nicht da. Auch gut.

Um dort den Kopf zu schütteln über die überall aufgestellten halbvollgelaufenen Eimer. Kiek an, nicht nur in Berlin wird Scheiss gebaut.

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Mein alter Freund, der Herr Beuys hat mich mit seinen zarten Zeichnungen froh gemacht, der Wewerka war etwas kärglich, ich insgesamt nicht sonderlich begeisterungsfähig, am besten hat mir das Lackzeug gefallen.

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Darob entschieden, für längere Zeit nur noch Völkerkunde- und Heimatmuseen zu besuchen. Ein unangemessener Überdruss liess mich an der klassischn Moderne vorbeihasten und sie keines eines Blickes würdigen. Den Polkesaal durchstreifte ich rasch, aber mit Wohlwollen, um mich dann bei einem Glas heissen Wasser von den ausserordentlichen Strapazen zu erholen.

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Bei Brandhorst die selbe gelangweilte Übersättigung (hä?), insgesamt kam mir das platt und laut und ohne Raffinesse vor, aber dieser Warhol ist ja eh nicht meins. Den Twomblys hab ich flüchtig zugelächelt, die zurück.

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Selbstverschuldet wenig schmackhaftes Thai-Curry zu Mittag. Wer sich nicht vorbereitet ist selber schuld, wenns dann nicht gut ist, war aber nicht schlimm. Dabei im Telefon gelesen (wie ich das schreibe, ohne zu zucken) dass auf SPON die Bodenseebevölkerung ihre Nichtprovinzialität (Tatort-Kommentare) mit der Nähe zahlloser Staatsgrenzen begründet, hahaha, und fast an einer Bambussprosse erstickt. Provinz? Niemals! Schliesslich sind es nur 60 km bis ins Elsass! Und genausoviel nach Vorarlberg. Der Thurgau, berühmt für seine Weltoffenheit, genau wie Südtirol. Und Liechtenstein. Und Baden-Württemberg erst.

Zufällig erfuhr ich dann in der Galerie Christa Burger, in der Ausstellung Bodenproben wie es im Haus Voßstrasse 33 am Potsdamer Platz von innen aussieht, ein Ort, der mich schon lange fasziniert. Dokumentiert von Juliane Duda. Dafür fahre ich nach München! Die Bilder von Nathalie Grenzhaeuser haben mir auch gefallen. Ein Glück, am Ende des Tages doch noch ein Hauch von Euphorie.

Wirklich Freude hatte ich an der vielen schönen altmodischen Typo, die es hier überall noch gibt. Das ist schon was besonderes (insbesondere nach vielen Jahren Ostberlin, wo sie komplett verschwunden ist). Und diese Schaufenster!

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Abends Seyschellisch. Ja. Naja. Rotwein dort entweder aus Chile oder Südafrika. Wennse meinen. Danach Bepper auf Kleider bis ins Morgengrauen. Tags drauf schwunghafter Handel. Den Rest erzähl ich morgen, hab nämlich noch viel mehr erlebt. Muss jetzt in den Stall.