Archiv für den Monat: April 2013

Obstgehölz

Seit ein paar Tagen haben wir einen bayrischen Mitbewohner. Ich quatsch‘ ihn beim Morgenrundgang immer rustikal in fehlerhaftem Dialekt an (Pfüati und Servus und so), er lächelt nachsichtig und konzentriert sich weiter aufs Blühen.

DSC_0067

Am Samstag ist die K. mit Mann, Baum und Pfosten angereist, der Mann grub, die Damen gaben gute Ratschläge (das Bild ist gestellt) und schlussendlich stiessen alle vor Ort mit Pflümli auf die zu erwartenden opulenten Ernten an.

DSC_00361

Die da bestünden bestehen werden aus: Hauszwetschge, Ringelotte, Mirabelle und zwei anderen Zwetschgenensorten (vergessen), alles an einem Baum. Wenn das mal gut geht. Steht auch beim Obstbau im Vordergrund, der Leistungsgedanke, heutzutage.

DSC_0077

War übrigens das Präsent zum runden Geburtstag. Jetzt soll ich die Baumbank für die baldige Rente besorgen, das sind mir ja die Lieblingsgeschenke. Ts.

DSC_00151

Und Schätze wurden auch ausgegraben. Römisch und Eisenzeit. Mit dem Erlös werde ich die Baumbank finanzieren.

Very Good

DSC_00041

Vermutlich ist schon aufgefallen, dass ich ein Kippenbergergroupie bin. Der gute Martin war nicht nur eine unerträgliche Nervensäge, ein begnadeter Kalauerer und ein maßloser Säufer, ich verdanke ihm auch einen der schönsten Abende der letzten Jahre. In einem durch und durch schlechten Jahr.

Und das kam so: Im Jahre 2011, im Sommer, hatten sich die Zustände im Hause Montez/Schulze zu solcher Unerträglichkeit verwickelt, Lug und Trug lauerte in allen Winkeln der adretten Maisonette und jedes noch so gut gemeinte Wort war der Beginn langer und zielloser Auseinandersetzungen, was wessen Schuld und wer angefangen und falsch, böse und schrecklich und überhaupt. So wurde entschieden, dass man den unvermeidlichen Auszug separat gestalte, der F. weilte auf dem umbrischen Landsitz, währens ich freudlos meine siebzehn Habseligkeiten in blaue Müllsäcke verpackte. Tagsüber. Abends traf ich Freunde, allesamt dem F. nicht wohlgesonnen und wir schimpften, tranken und verwünschten, während meine Tränen geduldig getrocknet wurden.

Eines Morgens dann in der Post: Susanne Kippenberger liest aus ihrem Buch in einer Dachwohnung in der Kollwitzstrasse. Ich gleich so: JJ, kommste mit zu Kippenberger? Der JJ: Wer ist das? Ich: Wird dir gefallen. Was für ein wunderbares Ablenkungsabendbrogramm. Literatur in den Häusern der Stadt bedeutet, private Gastgeber öffnen ihre Wohnung für ein kleines Publikum, das dort bei einem Imbiss einem Schriftsteller lauschen kann.

Also an jenem Abend den vorläufig letzten Müllsack ins Eck geschoben, gewaschen, Lidstrich gezogen und los. Um die Ecke. Und da alles zu jener Zeit nicht so war wie immer auch das: Ich war ein Viertelstündchen zu früh. Gegenüber der Spielstätte ein Schuhladen (einer meiner Lieblingsschuhläden). Rein, Schuhe probiert, gekauft, raus, aufs Bänkchen gesetzt, alte Schuhe aus, neue an.* Acht Uhr. Auf die Minute.

Ein wunderbarer Sommerabend. Eine wunderbare Wohnung mit Dachterrasse. Wunderbare Gastgeber, ein schwules Paar, Fotografen, die das das ganze Haus direkt nach der Wende gekauft, sich den obersten Stock spektakulär renoviert hatten und die restlichen Wohnungen zu marktunüblich moderaten Preisen vermieteten. Eine mitreißend lesende Autorin, eine wildgemischte andächtige Zuhörerschaft und mengenweise Kaltgetränke. Nach der Lesung mit dem wunderbaren Freund vertrautes Gespräch, Weisswein und Zigaretten, Blick von oben auf die Kollwitzstrasse. Der Duft der Linden. Ein Neubeginn.

* Diese Schuhe trug ich am Freitag bei einer hiesigen Ausstellungsvernissage. Sie wurden sehr gelobt. Hier in der Provinz kann man mit Schuhen von 2011 noch was reissen!

Hell

DSC_00093

Hier also ein Bilddokument der partiellen Mondfinsternis vorgestern, die ich auf Hinweis von Madame Momoseven spannungsgeladen verfolgte. Besonders finster war es ja nicht. Und jede Menge Bäume im Weg. Ich befürchte, den interessantesten Teil habe ich verpasst. Stimmungsvoll trotzdem.

Vinho Verde und die Blaue Moschee

IMG_1524

Die Greisin erzählte gestern, der Montez senior hatte 1964 mit seinem (einzigen) Freund und Kollegen Fritz bei einer seiner Lissabondienstreisen am letzten Abend soviel Vinho verde getrunken, dass die zwei am folgenenden Morgen das Flugzeug verpassten. Damals hat man vermutlich noch dem Fräulein am Schalter zugezwinkert und das nächste bestiegen. Kein Problem, Senhor. Fräuleins zuzwinkern konnte er gut.

Der alte Montez und ich. So viele Jahre Streit und Geschrei. Eigentlich ab dem Ende meiner Kindheit. Als ich dreizehn war, war er 66. Geboren während des ersten Weltkrieges, eine wahrlich andere Generation. Erziehungsversuche mit Ausdrücken wie ungehörig und dem berüchtigten Solange Du Deine Füße noch unter meinen Tisch stellst. Manchmal, wenn ich an ihn denke, wünsche ich mir, ich hätte ihn als Erwachsene kennen gelernt. Er war ein interessanter Mann, schier unbeirrbar, exzentrisch und eigenbrötlerisch. Er hat die Leute verärgert und verprellt mit seinem Wechseln zwischen Impulsivität und Schweigsamkeit gepaart mit einem absoluten Mangel an Einfühlungsvermögen, heute denke ich, menschliche Reaktionen waren ihm völlig rätselhaft. Als ich vor langer Zeit in einem ZEITdossier das erste Mal über das Asperger Syndrom las, bin ich fast vom Stuhl gefallen. Warum heult sie denn fragte er mich arglos, wenn er meine Mutter wieder mal grobklotzig zur Verzweiflung getrieben hatte. Als ich auf seine versteinerten Absolutheiten (natürlich braucht die Menschheit die Atomkraft. Das bisschen Radioaktivität [Tschernobyl] schadet niemandem. Klimawandel: lächerlich) nicht mehr sofort und ausschließlich mit Wutgeheul reagiert hätte, wusste er gar keine Antworten mehr.

Ich reiste nach Istanbul, ihn im Gepäck, die Silhouette der blauen Moschee kannte ich von frühester Kindheit, denn in seiner Freizeit erforschter er Fehldrucke und Fälschungen türkischer Briefmarken vor Neunzehnhundert. Da war die überall drauf (als ich sehr klein mal mit zur Post genommen wurde, fragte ich, als ich die Briefmarken sah, ob das hier die Türkei sei). Und dann stand sie da. In echt.

Mit Anfang siebzig lernte er zwei Programmiersprachen (1989) und war der erste Prüfer, der ein (selbstgebautes) Grafikprogramm für seine Gutachten einsetzte. Die Türkei hat er geliebt. Ich hätte ihn so gern noch so viel gefragt.

JUHU!

JUHU! JUHU! JUHU!
(Oh, wie könnte ich das alles gerade nicht ertragen, wenn ich nicht wüsste, am 20. Mai flieg ich nach Lissabon (mit Frau A. Krabke)!

Und dann ist dieser Arbeitsnerv längst in Malaysia auf der großen Konferenz.
Und ich trink schön Galão. Mit Aussicht.

Jetzt weiter Korrekturen.

Jungs und Mädchen

Auf zwei Blogeinträge möchte ich gerne hinweisen, beide nicht mehr ganz taufrisch. Aktuell werden sie leider noch eine Weile sein.

Der eine zu einem Artikel in der FAZ, zu dem mir das selbe durch den Kopf ging:
Birgitta vom Lehn schreibt, der Mangel an männlichen Erziehern in Kitas führe zu folgender Situation (die wiederum für die langjährig schlechtere Entwicklung männlicher Kinder verantwortlich sei):

Als Junge in der Krippe oder im Kindergarten
einen männlichen Erzieher zu erwischen, der nicht vor allem Wert auf gemeinsames Singen und Erzählen im Stuhlkreis oder eine penibel angefertigte Bastelarbeit legt, sondern auch Fußballspielen, Holzhobeln und Schlammschlachten im Beschäftigungsangebot hat, grenzt fast an einen Lottogewinn.

Aha. Was für eine gequirlte Scheisse. Na klar, wir Frauen basteln und backen. Und bei den Männern gibt es tolle Grobmotorik. Lesen Sie Dr. Muttis weise Worte zu den benachteiligten Quotenjungs.

Und Carline Mohr schreibt bei Kleinedrei, warum Männer nicht über Frauen lachen wollen. Ich würde einschränken, warum viele Männer nicht über Frauen lachen wollen. Und den Rest unterschreiben. Und ich bin sicher, es liegt nicht an der Qualität der Witze.

Na klar. Es gibt Männer, die das gerne tun (der F. war so einer). Ein Glück.
Und wenn wir schon bei idiotischen Stereotypen sind, ging mir heute Folgendes beunruhigend durch den Kopf:

Ich bediene den Grill.
Ich mache blöde Witze (manchmal versehentlich frauenfeindliche).
Ich kann rückwärts einparken.
Ich kann mit der Sense mähen und holzhacken.
Ich verliebe mich mitunter in Frauen.
Ich esse Fleisch. Rot. Blutig. Gegrillt. Bisschen angebrannt.
Ich trage Anzüge.
Ich trinke gerne Bier. Nicht so wenig.
Ich fluche.
Ich bediene Bohrmaschinen und Kreissägen, wenn auch ungern.
Ich glaube nicht an Homöopathie und Bachblüten.
Ich bin wehleidig.
Ich gehe nicht zum Arzt.
Ich mache beim Kochen Sauerei in der Küche und versuche es so zu dengeln, dass ein anderer sie aufräumt.
Ich trage keine Kleider und Röcke
Ich würde nie auf die Idee kommen, kleine Tierchen aus Plüsch oder Glitzer an meinen Rucksack zu hängen.
Ich habe keinen Rucksack.
Ich hasse rosa.
Ich lese keine Frauenzeitschriften (dafür die BUNTE, wenn ich sie kriegen kann)
Ich hupe und drohe mit der Faust beim Autofahren (aber schäme mich gleich).
Ich kann Bierflaschen mit Feuerzeugen öffnen.

Ich muss ein Kerl sein. Call me Mr. Montez.

Was ich gerne nicht mehr lesen hören sehen möchte

Heute feiern wir insbesondere den Pleonasmus.

(Tu ich jetz mal) weiter fortsetzen:
Anna Loos
Zunehmend schlechter
Affin
Männliche Spermien
Vollweib
Bono
Nicht eigentlich
Gestresst
Leckere Köstlichkeiten (auch ohne Super…)
Ungefähr/genau gar nicht
HIV-Virus
Ganzheitlich
Prozessverständnis, -steuerung (aus aktuellem Anlass)
Pochersbeckerselverspochersvandevaartspochers
Runterbrechen
Oops!
Da nicht für
Jemandem eine Stimme geben
Intimfrisur
Schiessgewehr (das darf als EINZIGSTER der Martin, siehe unten)

IMG_1509
Der darf alles. © Martin Kippenbergerac

Noch mehr Schrecklichkeit bei den Goldenen Worten.