Ein Mord

Freundin L. hat vor längster Zeit einen Bauernbub aus meinem Dorf geheiratet. Diese Ehe, die noch immer anhält, brachte für sie, bevor die beiden zuletzt in das große Haus am See zogen, ein paar Jahre Landleben in eben jenem meinem Dorf mit sich. Auf einem kleinen Hof.

In meinem Dorf heisst man Lärchebuur (Lärchenbauer, hatte viele solche). Poschtkarle (der Karl von der Post). Storkslene (Magdalena Stork). Ritschedonni (Anton Ritsche). Schmidle (der Sohn vom Schmied) usw. Wichtig jedenfalls, dass der Vorname, wenn überhaupt an zweiter Stelle kommt. Die L., durchaus im Groben des Dialektes mächtig, gewöhnte sich rasch ein.

Eines Tages entdeckte sie des Morgens ein totes Huhn. Eines ihrer Hühner.
Und rief nach ihrem Mann.
Schau doch! Ein totes Huhn! rief sie erschüttert.
Das war der Hennehack
rief er empört.
Der Hennehack? Der kann doch nicht einfach … Das soll der ersetzen. Warum überhaupt … ? Da muss man doch hingehen. Wo wohnt denn der?
Wo der wohnt? Keine Ahnung.
Wie keine Ahnung, Du musst doch wissen wo der wohnt???
(kleines Dorf)
Naja, auf einem Baum vermutlich.
AUF EINEM BAUM?

Und dann zog sich diese fruchtlose Unterhaltung noch lange hin.

Der Hennehack. Ich amüsier‘ mich immer noch. Und werde fortan immer an die L. denken, wenn ich ihn sehe. Grad sehe ich ihn dauernd. Bei der Arbeit. Also er. Ich liebe diesen Dialekt.

8 Gedanken zu „Ein Mord

  1. Croco (Gast)

    Luschdig.
    Diese Hausnamen sind das ja auch.
    Der Mann ist der Urenkel vom Schlosser, der damal das Haus gekauft hat.
    Also sind alle der Familie “ Schlossersirgendwas“
    Und mein Urgroßvater hatte Sägewerk und Brauerei, alles längst wieder weg, aber die Sippe heißt noch nach ihm „sChrischtoffa.“
    Hier im Rheinland weiß das natürlich keiner.
    Aber der Nachbar, ein eingeheirateter Düsseldorfer, hat nun im zarten Alter von sechzig Jahren erfahren, dass er schon immer einen Dorfnamen hatte, der Hohlschgerd. Nur hat ihm den keiner gesagt, bisher.

    Der Hühnerhabicht ist das, oder?

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  2. iGing (Gast)

    Diesen „Übernamen“ verdanke ich eine stark ausgeprägte Fähigkeit im genauen Zuhören: Es war nämlich eine meiner Lieblingsbeschäftigungen als Kind, bei meiner Großmutter auf dem Küchenkanapee zu sitzen und ihren Gesprächen mit Erwachsenen zuzuhören, die auf dem Weg zum Bäcker oder zum Friedhof mal kurz hereinschauten, um die neuesten Dorfnachrichten auszutauschen. Klatsch hoch 3! Und alle Personenbezeichnungen verschlüsselt! Da war es echter Denksport, dahinterzukommen, von wem die Rede war!

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  3. iGing (Gast)

    Verschlüsselt war es doch nur für mich, für die anderen waren es die allweil bekannten, dorfüblichen Namen der Personen.
    Wenn ich heute – nachdem ich 40 Jahre später wieder in dieses Dorf gezogen bin – jemanden treffe, den ich von früher kenne, macht es mir richtig Spaß, nach solchen „Alteingesessenen“ zu fragen und sie oder ihre Gesichter in den Familien wiederzuerkennen.

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  4. montez

    Das hat bestimmt Spass gemacht. Und nicht geschadet!

    Hier sind das keine Decknamen, sondern die ganz offiziellen Namen, die die Alteingesessenen selbstverständlich öffentlich benutzen. Wobei das natürlich inzwischen wenige sind. Das Dorf hat sich Einwohnermässig verzehnfacht, für die Zugezogenen und die Jungen gibt es das nicht mehr.

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