Archiv der Kategorie: Erlebnisreisen

Weltstadt mit Herz

Hach. Ich hab dann die Weltstädtischkeit gleich auf dem Ulmer Hauptbahnhof mit einer Portion Pommes von Burger King eingeläutet. In München wurde ich vom Zug abgeholt und in eine kleine hübsche Wohnung verschleppt, die nach alten Kleidern und Käsefüssen roch. Ne, so schlimm war es nicht und tatsächlich sind ein paar sehr schöne Sachen abgeliefert worden, die sich wiederum gut verkauft haben und so ein passables Sümmchen zusammen kam, das nach Kirgistan geht (mag ich nicht verlinken, möchte ja gerne ein paar Sachen auseinanderhalten).

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Nach Essenswünschen gefragt, wollte und bekam ich abends Asiatisch, genauer Japanisch, Maguro Teriyaki, ja, das war schon in Ordnung. Eine lustige kleine Beiz jedenfalls mit Berliner Vollbartpublikum.

Daheim dann weiter Bepper auf Kleider geklebt, dazu viel gekichert, probiert und wohl gefühlt. Und ich war sehr zufrieden, dass Konsum (ausser oralem) momentan keinerlei Reiz auf mich ausübt, habe ich doch gerade festgestellt, dass meine Schuhe noch für zwei bis drei weitere Leben reichen und werde sie nun mit Stolz und Würde auftragen. Mode hin oder her. Selbiges gilt für Oberbekleidung. Dem Trotzki ist eh wurscht, was ich anhabe.

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Diese unsäglichen Miu Miu-Latschen links sind von mir, was hab ich mir dabei bloss gedacht?

Am Freitag den halben Tag am Schreibtisch verbracht, ich bin schliesslich eine unentbehrliche Person auf einmal wollten alle noch was von mir, ein Glück hatte ich den Rechner dabei, und am frühen Nachmittag machte ich mich auf zum Kunstgenuss (bin dort der Marianne begegnet).

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An der Tramhaltestelle herumirrend, liebe Münchner, das geht auch besser mit den Schildern und Plänen, eine zauberhafte Bekanntschaft gemacht. Eine feine alte Dame erzählte mir von lustigen Leuchtfiguren Die nicken so und verbeugen sich, müssen Sie unbedingt anschauen im Keller der Pinakothek der Moderne. Selten war ich mehr versöhnt mit Nauman, der war dann aber gar nicht da. Auch gut.

Um dort den Kopf zu schütteln über die überall aufgestellten halbvollgelaufenen Eimer. Kiek an, nicht nur in Berlin wird Scheiss gebaut.

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Mein alter Freund, der Herr Beuys hat mich mit seinen zarten Zeichnungen froh gemacht, der Wewerka war etwas kärglich, ich insgesamt nicht sonderlich begeisterungsfähig, am besten hat mir das Lackzeug gefallen.

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Darob entschieden, für längere Zeit nur noch Völkerkunde- und Heimatmuseen zu besuchen. Ein unangemessener Überdruss liess mich an der klassischn Moderne vorbeihasten und sie keines eines Blickes würdigen. Den Polkesaal durchstreifte ich rasch, aber mit Wohlwollen, um mich dann bei einem Glas heissen Wasser von den ausserordentlichen Strapazen zu erholen.

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Bei Brandhorst die selbe gelangweilte Übersättigung (hä?), insgesamt kam mir das platt und laut und ohne Raffinesse vor, aber dieser Warhol ist ja eh nicht meins. Den Twomblys hab ich flüchtig zugelächelt, die zurück.

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Selbstverschuldet wenig schmackhaftes Thai-Curry zu Mittag. Wer sich nicht vorbereitet ist selber schuld, wenns dann nicht gut ist, war aber nicht schlimm. Dabei im Telefon gelesen (wie ich das schreibe, ohne zu zucken) dass auf SPON die Bodenseebevölkerung ihre Nichtprovinzialität (Tatort-Kommentare) mit der Nähe zahlloser Staatsgrenzen begründet, hahaha, und fast an einer Bambussprosse erstickt. Provinz? Niemals! Schliesslich sind es nur 60 km bis ins Elsass! Und genausoviel nach Vorarlberg. Der Thurgau, berühmt für seine Weltoffenheit, genau wie Südtirol. Und Liechtenstein. Und Baden-Württemberg erst.

Zufällig erfuhr ich dann in der Galerie Christa Burger, in der Ausstellung Bodenproben wie es im Haus Voßstrasse 33 am Potsdamer Platz von innen aussieht, ein Ort, der mich schon lange fasziniert. Dokumentiert von Juliane Duda. Dafür fahre ich nach München! Die Bilder von Nathalie Grenzhaeuser haben mir auch gefallen. Ein Glück, am Ende des Tages doch noch ein Hauch von Euphorie.

Wirklich Freude hatte ich an der vielen schönen altmodischen Typo, die es hier überall noch gibt. Das ist schon was besonderes (insbesondere nach vielen Jahren Ostberlin, wo sie komplett verschwunden ist). Und diese Schaufenster!

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Abends Seyschellisch. Ja. Naja. Rotwein dort entweder aus Chile oder Südafrika. Wennse meinen. Danach Bepper auf Kleider bis ins Morgengrauen. Tags drauf schwunghafter Handel. Den Rest erzähl ich morgen, hab nämlich noch viel mehr erlebt. Muss jetzt in den Stall.

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Chunking Mansions, Hongkong. Irgendwo in der Mitte eines der widerlichsten Hostels ever (und das will was heissen). Dennoch hab ich da ein vergessenes blaues Handtuch mitgenommen, das wohnt noch immer in Kreuzberg , mit australischer Waschanleitung (ja, auf australisch, mit Flagge. Wie heisst denn das Schildchen nun, das kleine weisse?). Dass ich mich da drin nicht so verirrt habe, dass ich verhungert bin, ist ein reines Wunder. Eine ganze abegafackte Kleinstadt in einem Gebäude. Und der Duft. Unvergessen.

Auf Anfrage heute sehr trübsinnige Reise in die Volksrepublik mit Außenbezirken.
(Oder Kein Wunder, dass der Diascanner nix taugt, ist ja auch von einem Kaffeeröster)

Alterserscheinungen

Manchmal hat es ja was für sich, das Älterwerden. Zum Beispiel die Sache mit dem Whisky. Ich fand das schon lange eine grossartige Vorstellung, im moosgrünen Tweeddreiteiler in einem speckigen Clubsessel (der F. hatte so einen) am lodernden Kaminfeuer die vom langen Ausritt schmerzenden Glieder zu wärmen, die schmutzigen Reitstiefel auf dem passenden Hocker, im Aschenbecher das Zigarillo die qualmende Havanna und: ab und zu ein Schlückchen vom goldleuchtenden uralten Single Malt. (Im Hintergrund freundliche Klaviermusik, der Butler reicht das Silbertablett mit den Gurkensandwiches und fragt nach den Abendessenswünschen usw. usf.) Aber er schmeckte mir ja nicht.

Die Zigarilloraucherei hab ich schnell, wegen leidenschaftlicher Proteste meiner Nächsten wieder eingestellt. Der Tweeddreiteiler erwies sich als schwierig in der Beschaffung (bin noch dran), der F. samt Sessel ist fort, die Reitstiefel sind zwar dreckig, wenngleich schon lange unbenutzt und das Kaminfeuer, eine andere Geschichte. Aber der Whisky.

Vielleicht habe ich ja schon mal erwähnt, dass ich in diesem Früjahr in Schottland war. Mit der K.. Die sich ein bisschen auskennt und sogar ein schlaues Fachbuch dabei hatte, das sie erst eine Weile vor mir versteckt hat, bevor sie begann, mir abends daraus vorzulesen. Nie hätte ich gedacht, dass ich mit den merkwürdigen Ortsnamen, die ich vor einiger Zeit hier las, mal was verbinden würde. Wir waren dann auch gar nicht auf Islay, sondern (u.a.) in Oban,

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haben direkt oberhalb der Destillerie (der Schornstein) gewohnt und sie auf den letzten Drücker noch besichtigt (so ungefähr habe ich es verstanden mit dem Torf, der Maische und den gebrauchten Fässern, mein Schottisch ist allerdings so mittel). Und ich hab probiert.

Natürlich waren wir auch in Edinburgh, wo wir ganz wunderbar (ja, Haggis auch) speisten, es gab dort Whisky. Den hab ich probiert. Freundin S. hat mal eine Weile in E. studiert und uns zum abendlichen Absacker ihren Lieblingspub ans Herz gelegt. Zufällig gab es da Whisky. Und da hab ich dann noch mal probiert. Ne, besoffen war ich nicht, dass ist ja immer nur so ein Mäusepipi, aber hingerissen von der GESCHMACKSEXPLOSION. Den Oban, den ich der Greisin mitbrachte, haben wir jedenfalls entgegegn K.s Prognosen in einem Vierteljahr niedergemacht.

Warum ich das alles aufschreibe: Statt des Heissgetränks genoss ich am Samstag Abend in charmanter Gesellschaft einen Lagavulin in der einzigen Bar am Platz. Und das, obwohl ich mich doch in der Singlemalteinöde wähnte. Der Barkeeper erzählte allerdings, dass er zum Jahresende schliesst. Er geht in die Werbung. Ich muss doch nach B., Stoff besorgen.

Ach übrigens, Sie können mich Camilla Montez nennen.

Die Schweiz

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mag ich. Sicher auch deshalb, weil sie mir die von klein auf als das gelobte Land beschrieben wurde. Meine Mutter ist ein Kriegskind vom deutschen Bodenseeufer, und als der Krieg vorbei war, gab es auf der anderen Seite, also drüben, dieses Land, in dem man ALLES kaufen konnte. Zum Beispiel Kaffee, Nylons und Schokolade. Wenn man Geld hatte. Geld hat man natürlich keins, aber immerhin konnte man sich die Nase platt drücken an blanken Schaufensterscheiben. Und ehrfürchtig den amerikanischen Schlitten nachstarren, die dort herumfuhren.

Der, der immer nur der Verflossene genannt wird, der Vorgänger meines Vaters, hatte eine Schweizer Grossmutter in Bern. Wenn meine Mutter in den frühen 50ern dort zu Besuch war, haben die Cousinen, die Schwitzermadli kein Wort mit ihr gesprochen. Weil sie, ausser mit ihrem Cousin, überhaupt nicht mit Deutschen gesprochen haben. Auch das konnte ihre tiefe Zuneigung zu diesem Land nicht trüben, von dem sie behauptet, sogar das Gras sei dort grüner.

Soweit würde ich nicht gehen, mit Vergnügen fahre ich jedoch, wann immer ich in der Schweiz bin, zur Migros (gibt’s ja überall) und kaufe dort Kaffee und Schokolade (keine Nylons).

Bei mir liegt das mit der Zuneigung eher an Fischei & Weiss, Luginbühl, Tinguely und vorallem Dieter Roth (der ja eigentlich gar kein Schweizer ist, aber fast). Den Helden meiner Jugend.

Und das mit dem Gras kann ich nicht bestätigen.

Neapel sehen

wollte ich schon lange, aber irgendetwas kam immer dazwischen. Diesmal (fast) nicht(s). Nach lebhafter Überfahrt marschierte ich von Beverello gleich zielstrebig Richtung Vesuv.

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Im Reiseführer hatte ich die vielversprechende Beschreibung der Capella Sansevero gelesen: „… in der Krypta das Zeugnis eines makaberen Experiments: das versteinerte Arteriengeflecht zweier Toter, denen der wahnsinnige Raimondo bei lebendigem Leib eine verhärtende Flüssigkeiten in die Adern gespritzt haben soll.“ Das hört sich doch sehenswert an. Hätte ich einmal ordentlich gelesen, hätte ich gelesen: geöffnet Montag und Mittwoch bis Sonntag. Also nicht Dienstag.

So gab es dann stattdessen Cappuccino und Neuorientierung. Glücklicherweise haben die Neapolitaner ja noch mehr verwegenes Zeug, so auch das Blutwunder. Also auf zum Duomo San Gennaro.

Reliquien und Märtyrer, das ist was für mich. Besonders gut finde ich all den pompösen Zierrat um das bisschen Knochen und sonstwas. Drinnen gab es hinter Gitterstäben zwar jede Menge heilige Einzelteile, so richtig gut sehen konnte ich sie aber nicht. Keine Ahnung, ob die berühmten Ampullen dabei waren.

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Der Dom ist schön. Aber ich sollte wohl für eine Weile keine Kirchen mehr anschauen. Ich scheine etwas übersättigt.

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aus dem Dommuseumsfenster

Auf dem Weg dahin, bin ich vorher noch hier reingeraten: Napoli Sotteranea

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und tatsächlich, teilweise schiebt man sich geduckt und seitwärts bei Kerzenlicht durch die engen Gänge (noch eine Woche die hiesige Verpflegung und ich wäre stecken geblieben). Ist nichts für Phobiker.

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Bis zum zweiten Weltkrieg wurde dort unter den Häusern der Müll entsorgt. Als man die Katakomben dann als Luftschutzbunker nutzen musste, wurde einfach ein Betonboden drüber gegossen. Unter unseren Füssen also fünf Meter hoch Unrat. Raffiniert. Und Praktisch. Ist nur für heute blöd wegen der Touristen.
Das mit der Abfallentsorgung scheint ein traditionelles Problem zu sein.

Überhaupt der Müll. Es wird mir auf ewig rätselhaft bleiben, warum man in eine Natur, der man sich zutiefst verbunden fühlt (entnehme ich den limitierten Gesprächen, die ich hier führe), lauter Zeug wirft. Ich bin nicht einen Weg gegangen, wo nix rumlag. Ne. Oder räumt das bei uns immer einer weg?

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Als ich raus war aus der Unterwelt, habe ich entlich meine erste Granita gegessen, über die ich bei Herrn Steingarten so ausführlich und kurzweilig gelesen hatte.

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Hab sie nicht ganz geschafft. Den Rest erzähl‘ ich dann mal. Demnächst. Erst mal ausruhen.