Modernes Leben

opa

Ich stamme aus einer Bäckereidynastie, mütterlicherseits. Genau genommen hat mein Grossvater 1924 mit 14 Jahren eine Bäckerlehre gemacht, weil das damals der einzige Beruf war, bei dem die Eltern kein Lehrgeld bezahlen mussten. Bauer wollte er nicht, so hat sein jüngerer Bruder den winzigen elterlichen Hof übernommen.

Als er fertig war (für jedes Missgeschick wurden einem Lehrling zehn Pfennig vom Lohn abgezogen, der strenge aber natürlich gütige Lehrherr hat aber nach bestandener Gesellenprüfung alles zurück gezahlt), hat er noch ein paar Jahre hier und da gearbeitet, und dann 1931 unten im Dorf eine Bäckerei eröffnet. Zwischendurch bekam er noch ein uneheliches Kind (meine Mutter), wurde vom Bruder der Kindsmutter mit dem Tode bedroht und hat sie dann doch noch geheiratet.

Dann musste er in den Krieg, meine Grossmutter (mit mittlerweile drei Kindern) führte die Bäckerei noch eine Weile weiter, gab dann aber auf.

Als er 1948 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, hat er wieder angefangen, und da er ein fleissiger Mann war und ein helles Köpfchen, wurde es im Laufe der Jahre eine etwas größere Bäckerei, zu der irgendwann ein kleiner Lebensmittelladen kam. So Tante Emma mässig. Der Thronfolger wurde gar nicht erst vor die Wahl gestellt (Studieren war etwas absolut Unanständiges) und übernahm die ganze Chose in den 60er Jahren (der kleine Bruder konnte dann fast in Ruhe studieren). Da der Onkel ein fleissiger Mann war und ein helles Köpfchen wurde es im Laufe der Jahre eine große Bäckerei.

Als die Sache mit den Discountern anfing, musste die Bäckerei den anhängenden Lebensmittelladen mitfinanzieren. Der Grosseinkauf wurde bald mit dem Automobil in den nahe liegenden Supermärkten (alle Ganoven in Reichweite) gemacht, und im Laden kauften die alten Frauen ohne Auto. Und die andern die vergessenen Brühwürfel. Das ging aber noch irgendwie.

Vor ein paar Jahren hat dann meine Kusine das alles übernommen, und führt den Laden mit viel Herzblut und Elan. Seitdem kann man auch Regionales und Biozeug da kaufen, was den vielen Antros im Dorf gut gefällt. Mir auch. Jetzt läuft wieder was. So einigermaßen.

Und nun hat unser junger (zugezogener!!!) Bürgermeister entschieden: Da muss ein ordentlicher Supermarkt her, auf der grünen Wiese vor dem Dorf. Mit Tankstelle und Backshop. Das hat er gestern der Kusine mitgeteilt. Das sei doch nix, mit ihren Wucherpreisen.

Unser kleiner Ort ist der letzte in der ganzen Gegend mit Bäckerei, Metzgerei, Konditorei und einem chaotischen Getränkehandel. Die werden es dann wohl nicht schaffen. Aber die Bürger wollen das, sagt der Herr Bürgermeister. Und denen sei er ja schliesslich verpflichtet.

2 Gedanken zu „Modernes Leben

  1. L-9

    Oh – das ist blöd. Vielleicht kann sie sich ja in den Backshop einmieten? Ansonsten kenn ich einen guten Kakerlakenzüchter, die könnte man dort abladen… ;)

    Antworten

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