Westen

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Wie konnte ich mich nur so lange Jahre nicht nur im Mann sondern auch im Stadtteil irren. Oh Kreuzberg, Du unordentlicher, vielfältiger, wunderbarer Ort (ich komme mir langsam vor wie Freundin T., die immer und überall ihre schönen grünen Augen aufreisst und ihrer unerschütterlichen Begeisterung lautstark Ausdruck verleiht, während ihr Gatte und ich wenig nachsichtig mit denselben rollen, das ist jetz Ihre Aufgabe).

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Ein Segen, dass ich hier so neu bin, dass mir die beklagtenswerten Veränderungen wenig auffallen. Für mich ist das hier immer noch ein Urwald und ich kann sogar ein klitzekleines bisschen verstehen, warum jeder kunsthandwerksschaffende Grünschnabel auf der Welt nach wie vor findet, er sollte ein paar Jahre in Berlin verbringen (und nicht in Glasgow, Istanbul oder Peking). Ach Ostberlin, was ist nur aus Dir geworden. Ich vermiss‘ Dich keine Sekunde, selten war mir ein Abschied so wenig schmerzvoll.

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Na, war ja nicht alles schlecht. Jedenfalls nicht immer. Daran wurde ich gestern auf einer duften Ausstellung im Bethanien erinnert: Wir sind hier nicht zum Spass. Kollektive und subkulturelle Strukturen im Berlin der 90er Jahre. Und ich nickte beifällig und verdrückte ein Tränchen (fast) und dann begegnete ich noch ein paar alten Bekannten, nicht in echt, nur ihren Exponaten, mit dem einen hatte ich einen erbaulichen mehrsemstrigen Kunsthochschulkaffeethekenflirt, ich dahinter, er davor, des anderen Wohnung hab ich mal untergemietet und sowas.

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Ach ja, und vorgestern war ich nicht nur beim Vietnamesen, sondern auch beim Inder, mit dem konnte ich gar nix anfangen, war zudem in ungnädiger Laune und habe das in Lichtgeschwindigkeit hinter mich gebracht. Das einzige, was ich wirklich toll fand, war die Kanone mit der ein großer roter Wachszylinder auf eine weisse Wand geschossen wurde. Wirklich allerliebst. Und laut auch.

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Aus Geizgründen hatte ich mich für Kapoor und Klee/Itten entschieden und gegen den Antes. Ich hatte gedacht, ich könne die neue Duldsamkeit gleich mal bei der Klassischen Moderne anwenden, was für eine abwegige Idee. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern bis ich diese Übersättigung wegverdaut hab. Rülps.**

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* Ja, das ist Tempelhof, aber wir wollen da mal nicht kleinlich sein, wa?
** Ich weiss, meine Ausstellungskritiken lassen sehr zu wünschen übrig.
Dafür sind sie umsonst.

Übrigens finde ich Urban Gardening albern. Fand ich.
Aber eigentlich sowieso nur das Gequatsche darüber.
Und das mit der Belichtung geht nicht besser mit dem Telefon.

8 Gedanken zu „Westen

  1. montez

    Den Südwesten kenne ich auch besser, da habe ich früher gearbeitet. Dem hat der Windschatten nach der Wende auch nicht geschadet. Aber meins ist das trotzdem nicht, obwohl ich da vieles sehr charmant altmodisch und urtümlich finde.

    Ja, der P’berg. Vielleicht kann er einem gefallen, wenn man ihn nicht von früher kennt.

    Konferenz am Wannsee. Na.

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  2. schneck08

    Ja, der Inder. Hat mir auch nicht wirklich gefallen. Beim Vorführen von Natur- und Wahrnehmungsphänomenen denke ich immer eher an Physikunterricht, denn an bildende Kunst. Mir fehlt da die künstlerische Umsetzung bzw. das künstlerische Zutun und die weiterführende eigenkreative Umsetzung. Schon vor drei Jahren war am selben Ort der Olafur Eliasson zu sehen, da war es dasselbe. Wie ein Erlebnispark, „Oh, ein Zerrspiegel“, „Oh, ein Wasserstrahl im Stroboskop“ usw. Am ehesten eigenständig in der derzeitigen Ausstellung waren die riesigen amorphen Epoxydharzskulpturen in den hinteren kleinen Räumen. 11 Euro, na gut, dann hat man’s gesehen und kann auch wieder gehen. Nicht ohne vorher natürlich noch die Kanone knallen gehört zu haben. Da kam dann ja immerhin noch ein gewisser Eigenwitz ggf. zum Augen- und Ohrenschein. /(und ja, der westen, seuftz….)

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  3. montez

    Ich habe an sich nichts gegen dasVorführen von Natur- und Wahrnehmungsphänomenen, ich finde nur, er macht das weder ästhetisch noch subtil oder verschmitzt oder bedrückend. Ja, wahrscheinlich mangelt es an künstlerischem Zutun. Ne, das Epoxidharz war auch nix, nix für mich, wo sich der Blick dran festhält, wo die eigene Phantasie einsetzt oder das wenigstens ein kleines Lächeln hervorruft. Oder einen Schauer. Langweilige Formen ohne Meta.

    Ich bin ja auch nicht so ein Eliasson-Fän, die Ausstellung letztes Jahr hat mir allerdings gefallen. Warum ist mir leider entfallen. Ich bin ein Grauen. Genaugenommen kann ich mich an nichts außer diesem Lastwagen erinnern, der mit einem Spiegel beladen durch die Stadt fuhr. Das find ich dann schon wieder interessanter, weil es angewandt ist. Stadt einbeziehend. Nicht so merkwürdig von allem abgelöst und dozierend.

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  4. books and more

    Jo, Frau Montez! Auch ganzes Weilchen im Südwesten (erst von B, dann von Schland) rumgegurkt zwischen den Villen und Frauen und Männern und nicht so ganz Richtigem. Ja fuck! Dafür tanzt jetzt die Tochter im Prenzelberg Tango und ist glücklich – hoff ich zumindest sehr.

    Juliende wieder im Gelände, Konferenz am Wannsee. Auch nicht schlecht. Kommen abends die Wildschweinchen in‘ Garten *like!!*

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  5. tikerscherk (Gast)

    Wie recht Sie haben: Westen.
    Kreuzberg, Tempelhof, Charlottenburg, Schöneberg.
    Dabei ist der Prenzlauer Berg so schön wie Zuckerbäckerhandwerk. Aber genau sowenig berührt er mich auch. Nur den Blick von den Fußgängerbrücken auf die S-Bahngleise, den finde ich umwerfend.
    Mit dem Urban-Gardening-Getue, haben Sie uch Recht.
    Ich wünsche noch schöne Tage hier!

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  6. montez

    Ja, die Hübschigkeit des P’Berg ist unbestritten. Aber die ist halt allein nie ausreichend …

    Von den Brücken hab ich lang nicht mehr geschaut, nächstes Mal. Und für Treptow hat es leider auch nicht gereicht :( bin schon wieder auf dem Sprung. Aber Ende August! Nächster Versuch.

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