Archiv der Kategorie: Erlebnisreisen

Runterschauen

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So, heute mal wieder was für meine Bioliebhaber. Die älteren Hasen hier werden wissen, dass es sich in meinem Fall um eine durch und durch selbstgestrickte Demeteranbeterin handelt. Die zwar gerne die ein oder andere Zigarette raucht, dazu auch mal ein Schnäpschen kippt, sich aber schon bei der Vorstellung, pestizidverseuchtes Gemüse zu sich zu nehmen, schmerzhaft krümmt und unmittelbare schwere Vergiftungserscheinungen fürchtet.

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Soll heissen, meine Hauptmotivation für den ausschliesslichen Verzehr von Grünkernbratlingen sind die Dinge, die hier ringsumher geschehen. Die ich ja auch schon ausfühlich und mehrfach erwähnt habe. Ich schweife ab.

Eigentlich möchte ich Ihnen nämlich das ans Herz legen: Ein Aufenthalt in Vorarlberg, z.B. im Bregenzerwald, falls Sie steinreich sind, lohnt es sich auf jeden Fall, in der Post in Bezau abzusteigen, falls nicht gibt es allerhand Berghütten und so zu mieten. Denn echt jetze: Es lohnt sich! Und es ist praktisch alles BIO. Und dabei wundervoll anzusehen. Es riecht nach Alpenblümchen und Kuhstall. Es ist still. Man kann Berge besteigen und von oben runterschauen.

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Als die Dinge in Berlin zu Ende eskaliert waren, vor guten zwei Jahren, klemmte mich (klappriges Elend) die Greisin unter den Arm (ja, damals war es noch sorum) und schleppte mich dorthin. Und sogar mein unruhiger Geist hielt inne. Ich schlief von abends bis morgens. Ich nahm Nahrung zu mir. Und ich bestieg Berge und schaute hinab (obwohl ich Berge eigentlich nicht leiden kann). Wohlgefällig. Sollten Sie also nicht wissen, wohin Sie diesen Sommer reisen und höchstens mittelmäßig beieinander sein, kann ich Ihnen nur raten: Alles BIO.

Da ist übrigens wenig Feindseligkeit gegen diese modernen (?) Ideen. Und keiner wird vertrieben. Im Gegenteil, es gibt Arbeit und Anerkennung. Als ich ein Kind war, war der Bregenzerwald noch bettelarm.

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Dies steht hier alles, weil ich heute morgen eine Mail bekam. Ich hatte der Lieblingsnachbarin erzählt, in den Nachrichten habe ich von einem neuen EU-Vorstoß erfahren. Was es damit auf sich habe. Sie schickte mir eine Pressemitteilung der AbL. Da geht es zwar um was anderes, aber lest selbst:

„Frau Merkel hat schon im EU-Rat der Staats- und Regierungschefs zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU die Obergrenze für die EU-Zahlungen an Großbetriebe vom Tisch gefegt. Nun hatte sie ihre Bundesministerin Ilse Aigner angewiesen, im EU-Agrarministerrat der letzten beiden Tage auch eine EU-weit verbindliche nennenswerte Kürzung sehr hoher Zahlungen je Betrieb zu verhindern. Dem ist der Agrarministerrat in seinem Verhandlungsangebot von heute an das EU-Parlament gefolgt, indem die Beträge über 150.000 Euro je Betrieb und Jahr nur noch um 5 Prozent gekürzt werden sollen. Das ist eine Besserstellung der Großbetriebe zum status quo, denn heute werden diese hohen Beträge um 10 bis 14 Prozent gekürzt. Dieses Wahlgeschenk an die Großagrarier wird die Kanzlerin heute vor den Delegierten des Deutschen Bauernverbands ausbreiten – es kommt einem Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland zugute und schwächt die bäuerlichen Betriebe, denen die Zahlungen überproportional gekürzt werden.ʺ

Das betrifft insbesondere die kleinen Biobauern. Alle kleinen Betriebe.
Oh, wenn man diese beiden Damen nur verhindern könnte. Bitteschön.

-Ende der Werbeeinblendung-

Bildungsreisen

Gelernt, was Sprachwörter sind. Und Schneekettenberge. Und dass das Portugiesische vom Holländischen abstammt, das sieht man schon an den Kacheln. Aber das weiss ja jedes Kindle.

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Bevor man nach Lissabon reist, sollte man sich eine entzückende portugiesische Untermieterin zulegen, die einem Dinge auf Zettel schreibt, die nicht in Büchern stehen. Dann kommt an an Orte, die sehr besonders sind. Zum Besipiel in ein Restaurant auf der anderen Seite am Ende der Brücke, direkt unter dem Cristo-Rei. L. schreibt:[…] Walk to the right side of the boat station and along the river (it may look dark, dirty and dangerous, but it is the only way to the restaurant, and I never heard of any unsafe problems there). Ich mag das Versehrte. Bei Menschen wie bei Dingen. Davon gibt es dort wahrlich genug. Später am Abend eingetaucht in goldenes Licht. Das ein bisschen vergessen lässt, dass in den Ruinen noch ein paar Leute wohnen (müssen). Bis vor einiger Zeit waren da Off-Theater, hat Pedro erzählt. Die wurden geräumt, weil man tolle Lofts mit Flusssicht bauen will. Darf man aber nicht. So verottet nun alles malerisch vor sich hin.

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Und man residiert zauberhaft mit Familienanschluss. Bei Pedro, in einem tadellos selbst restaurierten Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert (ruhig die PDFs ansehen, es lohnt sich).

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Direkt am Miradouro de Santa Catarina, der gerade geräuschvoll verschönert wird, aber sicher bald fertig ist. Dann kann man im Noobai sitzen, wenn die Sonne untergeht. Untergegangen ist. Und schauen.

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Also Sonnenuntergänge abends und Galão am Morgen, Pasteis de Nata zwischendurch, oder wahlweise de Bacalhau, dann aber wie L. schreibt: These you also have to try but don’t drink a galão. Then drink a bier because they are salted. Natürlich folgten wir strikt den Anweisungen.

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Überhaupt der Stockfisch. Gibt es in allen Aggregatzuständen. Ach und überhaupt überhaupt. Wundervoll. Alles. Hier grad Hagel und Mörderhusten*.
Erst mal ausruhen.

* Placebo funktioniert übrigens auch um die Ecke, wenigstens ein bisschen. Die Krabbe glaubt an das Vitamin C, ich nehme es, und es wird besser. Vielleicht aber auch vom Aspirin. Wer weiss das schon.

JUHU!

JUHU! JUHU! JUHU!
(Oh, wie könnte ich das alles gerade nicht ertragen, wenn ich nicht wüsste, am 20. Mai flieg ich nach Lissabon (mit Frau A. Krabke)!

Und dann ist dieser Arbeitsnerv längst in Malaysia auf der großen Konferenz.
Und ich trink schön Galão. Mit Aussicht.

Jetzt weiter Korrekturen.

Woanders #04, letzter Teil

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Diese Dame schläft in meinem Lieblingsgarten. Der wohl der berühmteste in Cornwall ist, und auch der meistbesuchte. Und er ist so wunderschön und besonders, dass mir das, die ich ja dazu neige, etwas blöd zu finden, wenn es die anderen gut finden, überhaupt nix ausmacht. The lost Gardens of Heligan. Aber dazu später. Jetzt müssen wir erst mal übernachten. Das habe ich immer sehr gerne in Mevagissey getan, aber Jim, bei dem ich meine erste geräucherte Frühstücksmakrele vertilgt habe (ja, ich könnte morgens auch Schweinsbraten essen) hat sein Haus verkauft und ist in die Bretagne ausgewandert: Same nature, better wine, ein andermal wohnten wir so, wie ich mir das immer erträumt habe, in einem alten Steinhaus mit Gartenkitschladen und kleiner Gärtnerei mit offener Tür und Blechdose, am Fussweg nach Heligan. In diesem Haus wollte ich meinen Krimi spielen lassen (Expose gelobt, nach dem ersten Kapitel keine Lust mehr, alles wie immer). Als ich das letzte mal da war, war der schöne Garten ums Haus zu Rasen geworden und mit einer riesigen bunten Plastikrutsche verziert. Ich hab mir Sorgen gemacht und zu hause eine Mail geschrieben. Stephanies einziger Sohn ist Fussballprofi in Liverpool. Zu dem sind sie gezogen. Nach Liverpool.

Mevigissey war beim letzten Besuch ein bisschen runtergekommen. Viel Leesrstand, viel to let, ist sicher nicht der schönste Ort an der Kanalküste, ich mag ihn aber. Keine Ahnung, wo man da jetzt gut unterkommt. Ziehen ja alle weg.

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Fowey ist auch hübsch. Hier hat Daphne du Maurier gewohnt. Auch hier.
Schlafen und Essen ist beispielsweise möglich im Ship Inn.

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Aber jetzt mal nach Heligan. Kann man von Mevegissey aus zu Fuss hingehen, durch die Felder. Oder den Bus nehmen. Falls es doll regnet. Fährt am Pub los.

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Schon diese Geschichte ist was für mich. Wikipedia erzählt: Die schriftlich dokumentierte Geschichte Heligans reicht zurück bis ins 12. Jahrhundert. Zweimal wechselte das Anwesen den Besitzer, bis es in der Tudorzeit in den Besitz der Familie Tremayne kam, die es über 400 Jahre lang bewirtschaften ließ. Zwischen 1780 und 1790 ließ Henry Hawkins Tremayne die Gärten so gestalten, wie sie heute wieder zu sehen sind. Im 19. Jahrhundert, als der Garten seine Blütezeit erlebte, arbeiteten zeitweilig 22 Gärtner auf dem Gut. Im Ersten Weltkrieg begann der Niedergang Heligans. Die Gärtner waren im Krieg, und Jack Tremayne stellte das Haus der britischen Armee als Erholungsheim für Offiziere zur Verfügung. Als die Tremaynes das Anwesen 1919 zurück erhielten, waren konnten sie das zum Unterhalt Heligans nötige Personal nicht mehr bezahlen. Das Haus wurde an Freunde der Familie vermietet, den Garten aber nicht instand hielten – Heligan verwilderte zusehends. Jack Tremayne zog nach Italien. Im Zweiten Weltkrieg übernahmen die Militärs Heligan erneut, die Amerikaner übten hier für die Landung in der Normandie. 1970 verkauften die Tremaynes das Haus, das Anwesen selbst blieb im Besitz der Familie. John Willis, ein Nachkomme der Familie Tremayne, erbte Heligan im Jahr 1990. Der 1987 nach Cornwall gezogene Musikproduzent Tim Smit und sein Freund John Nelson lernten Willis und Heligan 1990 zufällig kennen. Zusammen begannen sie 1991 mit einer Gruppe von Gartenbauspezialisten und vielen Helfern, Heligan wieder in den Zustand der viktorianischen Zeit zu versetzen.

Stephanie hat behauptet, halb Mevagissey sei in den verwachsenen Trümmern gezeugt worden. Die Leute da haben jedenfalls eine enge Bindung zum Garten …

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Angeblich hat Herr Smit Archäologie studiert. Wie dem auch sei, dieser Garten ist so wundervoll und einfühlsam restauriert und rekonstruiert, dass der Exrestauratorin das Herz auf geht. Es gibt ein Steinhäuschen, in dem die alten ausgegrabenen Gartengeräte ausgestellt sind.

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Kennt jemand diese Pflanzen? Ist nicht in Heligan, glaub ich.

So. Natürlich gibt es noch unendlich viele zauberhafte Ortschaften. Die Wellen die gegen die Hafenmauer von Porthleven knallen sind sehr eindrucksvoll. Dort im Ship Inn kann man wunderbaren nicht fritierten Meerkram essen (viel Phantasie haben die nicht mit ihren Kneipennamen). Geräuchert. Im Harbour Inn wohnt man ok hübsch, mit Hafenblick (überhaupt scheinen mir die St. Ausstell-Pups ganz ordentlich zu sein). Portscatho, Portloe usw., alles malerische kleine Dörfchen. Alles zum Selberrausfinden!

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In einem der Restaurants von Rick Stein in Padstow muss man wohl gewesen sein. Hab ich mir sagen lassen.

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Regenjacke mitnehmen. Festes Schuhwerk. Und einen Adapter für die Steckdosen. Und Vorsicht mit der Vogelgrippe. Von BSE gar nicht zu reden.
Und machen Sie’s am Besten wie die Krabbe und lassen sich viel Zeit. Viel Vergnügen. Hier schneit es. Seit 48 Stunden.

Die anderen Etappen der Reise sind woanders.

Woanders #03

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Wer in Mousehole (sprich Mausel) übernachten will, sollte vorher buchen. Oder dort auf der Strasse einen ansprechen, der dann der Pastor ist und mobil alle seine Zimmervermietenden Schäfchen anruft, um einen unterzubringen. Das nützt leider auch nix, ist aber sehr charmant und sieht lustig aus. Überhaupt sollte man immer Einheimische auf der Strasse ansprechen. Damit ging mir die K. früher wahnsinnig auf die Nerven, aber ich habe mich inzwischen wegen der so gemachten Entdeckungen mehr als damit abgefunden. Die K. und ich reisen seit Menschengedenken zusammen, sie hat uns verwegene Tapasbars am damals noch abgerockten Hafen von Barcelona aufgetan, abenteuerliche Absteigen in Lyon, verborgene Restaurants in toskanischen Hügeln, mit Bistecca groß wie Klodeckel und butterzart, düstere Kaschemmen in Chicago, also: warum nicht den Pastor fragen.

Gelandet sind wir, kurz bevor die Stimmung kippte, in Newlyn, in einem netten kleinen Hotel, dessen Restaurant sehr gut sein soll, Armut und Geiz trieben uns aber in den Pub, wo wir einen riesigen Berg sehr frisches sehr frittiertes Meeresgetier verzehrten. What a shame. Gibt es also doch noch beim Engländer. Newlyn hat mir gut gefallen, das ist mal ein richtiger Ort mit einem schmutzigen Hafen und verfallenen Baracken und so, gar nicht Pilchermäßig. Auch schön. Nach soviel Postkartenidylle.

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Aber derentwegen sind wir ja hier, deshalb auf nach St. Ives, einer dieser so genannten Künstlerkolonien.

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Zugegeben: Der Ableger der Tate ist sehenswert. Und man hört dort das Meer rauschen. Und Turner kann ich eigentlich immer anschauen. Ansonsten ist St. Ives ein hübsches Städtchen, in das sich viele mittelalterliche Hausfrauen aller Nationen zum Aquarellieren zurückgezogen haben. Sollnse. Wir machen uns lieber aus dem Staub, um der Gartenkultur zu huldigen.

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Da wird es leider etwas unübersichtlich. Diese Gärten haben so kornische Namen und beginnen meist mit Tre… Ich habe im Laufe der Jahre ungefähr 30 besichtigt, bringe die aber ziemlich durcheinander. Nur meine liebsten drei, die hab ich auf dem Kasten. Den Rest müssen Sie dann also alleine rausfinden, da gibt es auch so tolle Faltblättchen vor Ort, wo alles drinsteht. Oder hier.

Auf dem Weg ins Grünbunte werfen wir noch einen Blick auf den St. Michaels Mount, den englischen Zwilling des gleichnamigen Franzosen. Um das Schloss rum gibt es auch einen Garten. Uns war es da zu voll, deswegen sind wir bei Ebbe nur bis an den Inselrand spaziert und wieder umgekehrt, fanden wir völlig ausreichend.

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Wir beginnen lieber richtig im Trebah Garden. Oft hört man diese Geschichte in Variationen: Nach dem Tod des letzten Erben wurde der Garten nach Jahren der Vernachlässigung wieder zum Leben erweckt, in diesem Fall vom Ehepaar Hibbert. Und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ich weiß nur zu genau, wie viel Geld und Arbeit es kostet, so einen Krempel in Schuss zu halten (von Schuss bin ich weit entfernt). Seufz. Meinen größten Respekt. Auch wegen der Öffentlichkeit. Nicht auszudenken.

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In Trevarno hat das leider nicht geklappt. Ich bin froh, dass ich noch da war und den dämlichen Pfauen beim Stolzieren durch die wundervollen Anlagen zuschauen konnte.

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Und erst die Narzissensammlung, ach schade. Zu ist. Aufgeteilt und das Herzstück verkauft an einen Ausländer. Auch das noch (mit £ 10 Millionen wären auch wir dabei gewesen, Herrenhaus und Umgebung hätte es schon für vier gegeben).

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Nicht recht vorangekommen auf der Insel heute (hilft aber ganz gut gegen die Dämonen). Jetzt nach Fowey.

Die anderen Etappen der Reise sind woanders.