Der alte Bauer vom Nachbarhof ist gestorben. Seine Frau dachte, er sei unten eingeschlafen, als sie des Nachts erwachte und er nicht neben ihr im Bett lag. Da war er schon kalt, sass im Sessel, der Kopf nach vorne gekippt, die Zeitung lag in seinem Schoss. Was man einen schönen Tod nennt.
Niemals hätte ich gedacht, dass mich das so trifft. Seit einem nachbarlichen dummen Streit mit seinem Sohn, der sich trotz meines stetigen Nachgebens (?) nicht gänzlich beilegen liess, war es nicht mehr ganz wie vorher. Vorher war so, dass ich trotz seiner vielen Kinder sein Müschterle war, als ich klein war. Dass wir immer gleich ein Thema fanden, wenn wir uns sahen. Dass er mich akademische Fragen fragte, die ich nicht beantworten konnte. Oder woher ich meine Eichenfässer hätte, er plane Whisky zu brauen. Vorher war unbeschwert.
Dass er jeden Morgen auf dem alten John Deere zum Fischweiher fuhr, immer genau zu der Zeit, wenn ich mit dem Trotzki da meine Runde drehte. Nachher war, dass ich mich versteckte, wenn es ging, weil ich nicht sicher war, wie wir nun zueinander standen. Ich glaube, ER hatte es längst vergessen. Er wurde zornig damals, wie ein wilder Stier. Und dann war es wieder weg. Nur, ich hatte mich erschreckt. Und hatte fortan ein bisschen Schiss. Wenn wir uns trafen war es eigentlich wie immer. Trotzdem.
Er ist genau einen Monat jünger als die Greisin. Es fühlt sich an, als wäre ein uralter Baum gestürzt, von dem man dachte, er würde allem trotzen. Oder ein Felsen, der nachdem er tausend Jahre an der selben Stelle stand, auf einmal runterfällt. Man kommt da am nächsten Tag vorbei und reibt sich die Augen. Kann es nicht fassen. Wie sowas sein kann.
Bei der Beerdigung war ich die einzige, die geheult hat. Man ist ja gefasst hier. Badisch Preussen. Jeden Morgen lausche ich nach dem vertrauten Sound von John Deere. Bestimmt noch eine Weile.