Archiv der Kategorie: Früher war alles besser

Edit: Es geht doch um mich

Weil wohl Missverständnisse aufkamen: Ich hatte schon lange keine Angst mehr vor einem Mann Ich habe inzwischen Angst vor Handwerkern, die mich weder ernst nehmen noch sich Mühe geben, wenn sie für mich was machen (gegen Geld!), und wenn ich sie auf ihren Pfusch hinweise, anfangen mich anzuschreien, ich hätte ja sowieso keine Ahnung (so als Frau). Kommen Sie bloss nicht auf die Idee, so als Frau allein ein Haus zu bauen, wenn Sie keine Lust auf aggressive Klugscheissereien und Belehrungen haben.

Falls mal zufällig ein befreundeter Mann neben Ihnen steht, wird ausschliesslich dieser angesprochen und löst große Erleichterung aus (endlich ein Gesprächspartner), auch wenn der sich nur mit der amerikanischen Aussenpolitik auskennt. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Zwei.

Das was ich unten beschrieben habe, ist Jahre her. Aber mir sind sehr viele unangenehm bis bedrohliche Situationen eingefallen, die stattfanden als ich eine sehr junge Frau war, in denen ich mich hilf- und sprachlos fühlte. Und warum sollte es den jungen Hühnern heute anders gehen? Und warum sollte man das als normal hinnehmen müssen?

Sehr gut finde ich dazu den Text von Käthe Feinstrick.

Aus heutiger Sicht kann ich jedem Backfisch nur mitgeben, dass ein beherztes Verpiss Dich, Arschloch meist wahre Wunder wirkt. Kann ich inzwischen in mehreren Sprachen. Ich verreise ja gerne, alleine.

Und ich habe noch ein altes Textfragment parat zum Thema:
Spürt feuchten Atem in ihrem Genick, warme gerbrauchte U-Bahnluft. Dann erwartunsgemäss die fremde Hand wie zufällig an ihrem Hintern, lässt sie nicht zusammenzucken, nur vorsichtig ausholen. Rammt den Pfennigabsatz zwischen zwei Mittelfussknochen. Hässliches Geräusch. Kannste haben Herzblatt.
So wehrlos warse also doch nicht, die kleine Montez.
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Macht

Davon abgesehen, dass sicher die meisten Frauen den des Nachts hinter ihr die U-Bahnhoftreppen heraufsteigenden Mann als potenzielle Bedrohung wahrnehmen (wie schrecklich und ungerecht), jede mal von einem unter dem Mantel nackten Würstchen angewedelt wurde (was tatsächlich an Armseligkeit kaum zu überbieten ist, aber allein nicht sonderlich witzig) und wie viele beim Ausgehen, beim Nachhausegehen, beim einfach Gehen allerlei Handgreiflichkeiten und verbalen Bedrängungen ausgesetzt waren, gibt es auch noch diese fiese andere Variation von Dings, die ich in meinem kleinen Beispiel erzählen will.

Als der damalige NATO-Generalsekretär Manfred Wörner überraschend starb, war ich ein kleines junges hübsches Mädchen, gerade 22 Jahre alt. Es ist/war ungerecht, aber üblich, dass Dienstvillen (in diesem Fall die in Brüssel) mit Preziosen aus dem (ehemaligen) Wahlkreis eines Politikers ausgestattet werden. Nach dessen Tod muss der ganze Schamott wieder nach hause und man schickte mich, vor dem Abtransport alles in Augenschein zu nehmen. Am Flughafen stand eine NATO-Limousine mit getönten Scheiben bereit, um mich ins Sofitel (haha) zu schaffen. Als Palituchtragende Pazifistin eine unwürdige und ziemlich skurrile Situation. Aber ich wollte ja was anderes erzählen.

Am nächsten Morgen wurde ich von der Limousine mitsamt General oder Wasweissich zur Besichtigung des NATO-Hauptquartiers abgeholt. Na klar wollte ich das sehen, das Zentrum des Bösen. Der mit Orden geschmückte Wasauchimmer bemühte sich freundlichst und erklärte mir dieses und jenes, und bei jeder kurzen Autofahrt, die Wege sind ja dort sehr lang, rückte er ein wenig näher an mich heran. Wir speisten gemeinsam in der Kantine und ich fühlte mich zunehmend unwohl, was weniger mit der bescheidenen Verkostung und der Uniformhäufung um uns herum als mit den unverholener werdenden schleimigen Schmeicheleien und Tätscheleien des hohen Herrn zu tun hatte. Glücklicherweise musste ich dann in die Villa, wo ich mit Frau Wörner noch ein Tässchen Tee trank und ein wenig gepflegte Konversation machte, bevor ich die Gemälde begutachtete. Aber der Ordenträger hatte gedroht, mich dann zum Abendessen abholen zu lassen.

Die ganze Situation hat mich völlig eingeschüchtert. Ich war nicht in der Lage, ihm einfach zu sagen, er solle mich in Ruhe lassen. Dennoch habe ich es, all meinen Mut zusammennehmend geschafft, später aus dem Hotel in seinem Büro anzurufen, und das gemeinsame Abendessen abzusagen (seine Frau sollte wohl nicht dabei sein).

Mir wird heiß, wenn ich daran denke, dass ich ihm später noch geschrieben habe, um mich für die Absage zu entschuldigen. Ich. Habe. Mich. Entschuldigt.

Nichts Großartiges ist passiert. Er hat nicht mehr getan, als seine Hand auf meinen Oberschenkel zu legen. Vielleicht hat er sie noch ein bisschen nach oben geschoben. Aber diese ganzen Verflechtungen von Macht, Männlichkeit, Autorität, körperlicher Überlegenheit und bewusster oder unabsichtlicher Einschüchterung haben dazu geführt dass ich mich fühlte wie ein waidwundes Rehkitz. Die großmäulige neunmalkluge emanzipierte Montez. Ich möchte das nicht.

mal so mal so

faust02

Als frühreifer Teenager der 80er Jahre habe ich völlig sorglos ein Vielzahl der damals existierenden Jugendkulturen gestreift. Nachdem einer ersten verirrten Nenaplatte, war ich verliebt in die grosse Schwester meiner damaligen besten Freundin und die war eine Waverin. Deren Musik (den Text von Our Darkness kann ich noch immer auswendig) haben wir heimlich auf Cassette überspielt und sind nach Zürich gereist, um dort bei Booster spitze Schuhe zu kaufen. Den Kopf hielten wir dabei schief, wegen unserer asymetrischen Frisuren. Die Schwester ist dann nach London gezogen, wir haben etwas die Orientierung verloren und irrten noch ein bisschen bei den New Romantics herum. (Kein Frisuren-Film: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo)

Die Peergroup schwenkte kollektiv zu Rockabilly, ich zog die mütterlichen Petticoats aus der Mottenkiste und liess mir ein Kleid nähen (rot mit Polkadots, jawohl, hab ich noch), ausserdem gab es den passenden Schweizer Verehrer mit altem Amischlitten. Musik: Stray Cats. Schuhe zu Hosen: Creepers vom Booster in Zürich. (Film: Absolute Beginnes tststs …, The Wanderers)

Aber so richtig mochte ich dieses traditionelle Getue nicht, da kam dann Psychobilly gerade recht. Ich kaufte also neue Schuhe bei Booster, diesmal meine ersten DocMartens und schupste mit bei The Cramps und The Meteors-Pogo, vorallem in einem Jugendhaus im Allgäu (da haben sie alle gespielt). Der eine oder die andere kam in dieser Zeit vom Weg ab (in diesem Fall eben nicht vom rechten) und verlor auch den Rest Frisur. Es gab immer mehr Streit und immer mehr Skinheads. Das gefiel mir nicht, und ausserdem trat dieser Vespafahrer in meinem Leben, der trug einen Parka und das Haar eher lang (und richtiger Ska war auch überhaupt viel toller). Tatsächlich hielt aber weder die Liebe zum Parkarträger noch zu den Mods im Allgemeinen besonders lange vor, nur die zu Vespa und Großbritannien ist geblieben. (Film: Quadrophenia)

Dann wieder rückwärts: Auf das Open Air in Ulm 1990 bin ich nicht etwa wegen Bowie sondern wegen der Pixies, New Model Army und Midnight Oil gefahren (Bowie war dann aber über alles erhaben). In der Schuldisko bekämpften wir beim Plattenauflegen mit Sisters of Mercy die R n‘ B-Abteilung, in Tübingen habe ich einer verquollenen, aber noch immer faszinierenden Anne Clark gelauscht (den Text von Our Darkness kann ich noch immer auswendig). Bei der Kleidung schlug sich das mittlerweile kaum noch nieder. Die war eh schwarz. Und es wurde endlich politisch, gaaaanz links, fast ein bisschen zu weit.

Danach gab es ein kurzes Hippieintermezzo mit Klimperklimperkettchen überall und Henna in den Haaren (und einer Sprachreise nach Nimbin).

Mit Berlin kam endlich ein bisschen Punk. Palituch und Bomberjacke (billig!), in besetzten Häusern rumhängen, Antifademos und abgebrochene Mercedessterne (aber da war ich fast schon erwachsen ;) Musik: Krach in modrigen Kellern. (Film: Sid & Nancy)

Danach wird es recht unübersichtlich.

Wir Provinzhühnchen hatten jedenfalls kaum Ahnung, wem oder was wir da nacheiferten (Internet gab’s nicht und an Informationen war schwer ranzukommen, der Südkurier so wenig das richtige Medium wie die Bravo). Von jeglichem ideologischen Unterbau befreit haben wir uns in erster Linie bemüht, dem Provinzmief zu entgehen und irgendwie aufzufallen.

Ich war 13, als meine damalige beste Freundin und ich uns mit heissen Nadeln gegenseitig Löcher in die Nasen gebohrt haben, um dann trotz überwältigendem Protest (sehr kurz) ein kleines Glitzersteinchen im Gesicht zu tragen (ich hab dann aber schnell kapituliert). Von den 25 Ohrlöchern ganz zu schweigen. Hui, das Aufsehenerregen war damals nicht schwierig.

Netzgeschichten

Nach über zehn Jahren ist es also soweit. Ich schreibe (mal wieder), anstatt zu nur zu lesen. Ob das gut geht …

Wie habe ich sie geliebt, die wunderbaren neuen Spielwiesen des Internets, auf denen ich unbekannt und ziemlich unbemerkt unter den idiotischsten Pseudonymen herumgetollt bin. Modemzeit. Was ein Blog ist wusste ich nicht. Gab’s das?

So schrieben wir gemeinsam auf lange Klopapierrollen, was wir für Literatur hielten, stritten uns, lobten uns und übten öffentlich, irgendwann gingen wir Bier miteinander trinken und die eine und der andere landeten im Bett. Die neuen Internetverbündeten.

Und erst da war es vorbei mit der Unschuld: Wir laden Sie ein in unserem tollen Literaturforum zu schreiben, aber wenn, dann nur unter Klarnamen. Rumms. Ein paar letzte Zuckungen noch, nachzulesen im Forum der 13.

Die einen sind heut Schriftsteller (manche waren es damals schon), die andern kritzeln immer noch auf’s Klopapier, manche gehen noch zusammen Bier trinken und zumindest ich mit keinem mehr ins Bett.

Ich weiss auch nicht. Warum es damals so abrupt seinen Reiz verlor, als man dann wusste, wer ich bin. Wahrscheinlich war es wie später bei Frau Fischer, man erzählt den Unbekannten, die sich keine Sorgen machen, nicht irritiert sind oder beleidigt. Vielleicht war ich dort mehr ich selbst als anderswo.

Also jetze hier. Muss erst mal wieder warm werden.