Archiv der Kategorie: Mischpoke

Weihnachtsgeschichte

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Es begab sich vor langer Zeit, daß die alten Montez‘ einer Lücke überdrüssig wurden. Sie entschieden, dort Nadelbäume einzupflanzen. Wie damals üblich, geschah das ordentlich in Reih und Glied, in kurzen Abständen Douglasien und Tannen, weil die Greisin die so gern hat. Die Bäumchen gediehen mehr und minder und alle Jahre wieder, an deren Ende, brachen die beiden und die Säge auf, einen Weihnachtsbaum zu ernten. Schon auf dem beschwerlichen Wege gerieten sie sich, wie es auch sonst (wenig bedenklich) geschah, über das ein oder andere, für Außenstehende unbedeutende Details derart in in die Wolle, daß die Wahl des Baumes sich zu einer fast unlösbaren Aufgabe aufgeschaukelt hatte. So wurde nach den jahrelangen aufreibenden Ernten beschieden, den Baum trotz des kleinen eigenen Waldes fürderhin konventionell zu beschaffen. Dies geschah dann lange Zeit, mal waren die Bäume gut gewachsen, mal im Sonderangebot erworben und entsprechend so mittelhässlich. Bisschen Disput gabs immer.

Jahre später ging die Baumlogistik auf mich über, und natürlich kaufte ich biologisch angebaute, bei Vollmond geschlagene, zu völlig unangemessenen Preisen. Der Flirt mit dem Baumverkäufer war eines der Jahreshighlights, er hat wirklich schöne Augen. Ganz zu schweigen von seinem großen roten Auto.

Unlängst zwang mich der Försterfreund, die Ländereien zu durchstreifen, mich ermahnend, welche Bäume nun dringend unaufschiebbar mal zu fällen wären. Ich hasse das. Der Försterfreund sprühte neonpinke Hieroglyphen auf die Stämme, ich nickte augenrollend, und nach langer schweißtreibender Wanderung gelangten wir zu der erwähnten Schonung. Die finde ich saudoof. So preussische Regimentsreihen. Zudem sind die Typen inzwischen riesig und nehmen sich gegenseitig alle Licht und Luft zum Leben. Jede Menge müssen weg. Na gut.

Ich erwähnte die olle Weihnachtsbaumgeschichte. Toll rief der Försterfreund, so einen Gipfel könne man tadellos dergestalt verwenden, dufte Sache. So kam es, daß ich Tage später den Lieblingsnachbarn bat, die Säge zu aufzuschultern, um einen solchen Baum zu Fall zu bringen. Auf dem Weg haben wir schon heftig rumgekichert. Versuchen Sie mal, in einem dichten Dickicht festzustellen, welche weit entfernte Krone gut genug gewachsen ist, um herrlich dekoriert ein Wohnzimmer zu zieren. War also wie die Maschinen auf dem Jahrmarkt, wo man an einem Faden zieht, in der Hoffnung, daß da der Teddy dranhängt. Wir, also er, sägte einen ab, der fiel um und war oben flach. Mehr so quadratisch. Der nächste. Pf. Dürr und krumm. Der Lieblingsnachbar trat schon ein wenig zapplig von einem Bein zum anderen, denn er hatte noch Dinge zu erledigen. Also, einen noch. Der ist es jetz.

Als die Mutter aus der Anstalt heimkam, führte ich den Krepel vor, ich kann auch gern noch einen andern kaufen, doch wir entschieden, ihn so vollzuhängen, so daß keiner mehr erkenn kann, was der für einer ist. Ein ja. Dings. Ich werd dann mal ein Bild machen. Im aufgemotzten Zustand.

Nur so

obst

Von unten höre ich das Klappern der Schreibmschine. Was machst Du? brülle ich ungehalten, denn ich habe eine Ahnung. Ich schreibe die Adressen auf, wem Du alles bescheid sagen solltest, wenn ich sterbe. Jaja. So geht das seit Tagen. Eigentlich ruft sie brauchst Du keine Karten zu schreiben, finde ich sowieso blöd. Ich auch. Ich finde das auch blöd. Aber sie hat ja recht. Ich kenne nun alle Bankverbindungen, sie hat mich genötigt, die Steuer fertig zu machen, dafür brauche ich sonst Wochen, die frostempfindlichen Blumen sind reingestellt, alle Tischdecken sind gebügelt. Nur dass es schon mal gemacht ist. Schon klar.

Testament gibt es sowieso, meins auch, dazu hat sie mich gezwungen, bevor wir nach Ischia geflogen sind, letztes Jahr. Erst habe ich mich aufgeregt. Und dann hat es mir sogar Vergnügen bereitet, aufzuschreiben, wer was bekommen soll, meine Kronjuwelen und so, und mir die Gesichter vorzustellen. Da staunste.

Heute Abend gehen wir mit der Großfamilie essen. Nur so. Schon klar.

Alles Gute!

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So, Schluss mit Anmut und Grazie, hier kommt die ungeschönte Wahrheit.

Der alte Montez wäre gestern 95 geworden.
Falls er irgendwo ist, möge er es dort gut haben.

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Wie ärgerlich, sagte die Greisin, da fliegt man schon mal mit dem Hubschrauber an einem solchen wundervollen Tag mit Bergsicht und dann ist man an eine Liege geschnallt und kann nicht rausschauen.

Es scheint, als sei alles nochmal gut gegangen.

Wie hauchdünn sind doch die Schichten des Glücks.

Vinho Verde und die Blaue Moschee

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Die Greisin erzählte gestern, der Montez senior hatte 1964 mit seinem (einzigen) Freund und Kollegen Fritz bei einer seiner Lissabondienstreisen am letzten Abend soviel Vinho verde getrunken, dass die zwei am folgenenden Morgen das Flugzeug verpassten. Damals hat man vermutlich noch dem Fräulein am Schalter zugezwinkert und das nächste bestiegen. Kein Problem, Senhor. Fräuleins zuzwinkern konnte er gut.

Der alte Montez und ich. So viele Jahre Streit und Geschrei. Eigentlich ab dem Ende meiner Kindheit. Als ich dreizehn war, war er 66. Geboren während des ersten Weltkrieges, eine wahrlich andere Generation. Erziehungsversuche mit Ausdrücken wie ungehörig und dem berüchtigten Solange Du Deine Füße noch unter meinen Tisch stellst. Manchmal, wenn ich an ihn denke, wünsche ich mir, ich hätte ihn als Erwachsene kennen gelernt. Er war ein interessanter Mann, schier unbeirrbar, exzentrisch und eigenbrötlerisch. Er hat die Leute verärgert und verprellt mit seinem Wechseln zwischen Impulsivität und Schweigsamkeit gepaart mit einem absoluten Mangel an Einfühlungsvermögen, heute denke ich, menschliche Reaktionen waren ihm völlig rätselhaft. Als ich vor langer Zeit in einem ZEITdossier das erste Mal über das Asperger Syndrom las, bin ich fast vom Stuhl gefallen. Warum heult sie denn fragte er mich arglos, wenn er meine Mutter wieder mal grobklotzig zur Verzweiflung getrieben hatte. Als ich auf seine versteinerten Absolutheiten (natürlich braucht die Menschheit die Atomkraft. Das bisschen Radioaktivität [Tschernobyl] schadet niemandem. Klimawandel: lächerlich) nicht mehr sofort und ausschließlich mit Wutgeheul reagiert hätte, wusste er gar keine Antworten mehr.

Ich reiste nach Istanbul, ihn im Gepäck, die Silhouette der blauen Moschee kannte ich von frühester Kindheit, denn in seiner Freizeit erforschter er Fehldrucke und Fälschungen türkischer Briefmarken vor Neunzehnhundert. Da war die überall drauf (als ich sehr klein mal mit zur Post genommen wurde, fragte ich, als ich die Briefmarken sah, ob das hier die Türkei sei). Und dann stand sie da. In echt.

Mit Anfang siebzig lernte er zwei Programmiersprachen (1989) und war der erste Prüfer, der ein (selbstgebautes) Grafikprogramm für seine Gutachten einsetzte. Die Türkei hat er geliebt. Ich hätte ihn so gern noch so viel gefragt.

My parents were awsome

Ich war mit der Greisin in einer Ausstellung. Ein bisschen ihr zuliebe, denn mit den aquarellierenden Frauen hab ich es ja zumeist nicht so. Gezeigt wurden die Arbeiten einer früheren Kollegin, der inzwischen verstorbenen Grafikerin der Firma, in der meine Mutter vierzig Jahre lang gearbeitet hat. Die Tochter der Künstlerin war anwesend. An merkwürdigen Stellen ist meine Mutter schüchtern, wir kauften ein Bild für sie (ein zartes hübsches Aquarell, Motiv Überlinger See) und ICH erzählte, die beiden Damen (die Mütter) hätten viele Jahre lang zusammen gearbeitet, woraufhin die Tochter, selbst Anfang sechzig, ein Büchlein brachte: Darin dokumentiert die eleganten bissigigen Karikaturen zur Firmengeschichte, die tollen Plakate, die das Motto der rauschenden Fasnachtsbälle ankündigten und das:

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Mein Mutter bekam mich mit 41. Ich erinnere mich, wenn sie mich vom Ballett (jawohl!) abholte, hab ich mich manchmal geniert und war neidisch auf die jungen schönen Mütter der anderen Mädchen. Ich konnte mir als Kind nicht vorstellen, dass meine Mutter auch mal eine junge schöne Person gewesen war (damals war sie in ihren 50ern). Und eine hochnäsige, wie man sieht. Sie hat sich seinerzeit amüsiert über das Bild, sagt sie, aber ein bisschen war sie auch beleidigt. Und jetzt waren wir gerührt, alle drei. Mit feuchten Augen.

Später fand ich dann, sie sei die schönste aller Mütter. Find ich immer noch.

Nach Hause

Sie sehen aus wie zwei alternde Filmstars, wie sie da an der Gepäckausgabe stehen. Und, fragt sie, ein bisschen peinlich berührt, das sind deine Grosseltern? Levin trägt einen beigefarbenen Alcantara-Anzug, ein pfirsichfarbenes Hemd, sehr weit aufgeknöpft, Brusthaar blitzt und ein goldenes Kreuz auf der braungenbrannten Haut. Der Kragen ist mehr als ausladend und liegt über dem des Jacketts. Wenn das meine Mutter wüsste. Seit sie den Winter in Spanien verbringen gedeiht ein millimeterbreites schwarzes Menjoubärtchen über seiner Oberlippe. Margot ist wie immer aus dem Ei gepellt, das Kostüm mohnrot, das Haar blond onduliert, statt Augenbrauen zwei schmalgezeichnete Linien die den hellblauen Lidschatten einfassen. Ich kann gar nicht aufhören in mich hineinzulachen, jetzt, wo sie neben mir stehen, und ich das Gefühl habe ich sehe sie das erste Mal mit Distanz, nicht Opa und Margot, sondern zwei schillernde Gestalten, mit etlichen Gepäckstückchen und Sunny, dem Yorkshireterrier, der heute das Pony mit einer Kirschspange zusammengefasst trägt. Er bellt uns an. Wir küssen uns. Ich stelle vor. Die riesigen Sonnenbrillen werden abgenommen, die Reise war unbeschwerlich also. Der Luftraum ruhig, das Essen lala, und ich summe across 110th street, als wir das Gelumpe zum goldenen Commodore schleppen. Margot trägt ihr Beautycase selbst. Lale ist schweigsam. Natürlich darf ich nicht mehr fahren, das Baby, und so ruckeln wir den weiten Weg nach hause, denn Levin hat den grauen Star und sieht nicht so recht. Sie sind sehr aufgeregt, die Blumen, ja, die Blumen leben noch, ich habe zur Feier des Tages sogar den Gummibaum abgestaubt. Und es ist Frühling, Lale fragt nach dem kanarischen Wetter, sehr trocken, genau. Wie schön wieder zu hause zu sein. Margot hat sich den Bauchspeck absaugen lassen, das ist da viel billiger. 2001.

Gestern auf den Friedhof, zu den Vätern. Die Greisin geht nie mehr mit.

Daheim in Bullerbü

daheim
Die Verbindung scheint ganz gut zu sein. Höhere Mächte haben dafür gesorgt, dass ich in aller Gemütlichkeit in meinem nach Norden ausgerichtetetn Turmzimmerchen sitze und dem Lieblingsnachbarn dabei zuhöre, wie er mit dem Lamborghini (Longobardi, Landini, was weiss ich), dem letzten Flöckchen, welches sich erlaubt, die Auf/anfahrt zu be/erschweren, den Garaus macht. Hoffen wir, dass die Begeisterungs/Schneemengenkurven synchron verlaufen. Dieses Männer und Maschinending ist mir ein Rätsel (wobei der F. als zarter Feingeist mir gerne die Maschinen überlassen hat. Ich mag die aber auch nicht).

So wird es also weiterhin keine aufregenden Urbanitäten aus dem kleinen Leben der M. zu berichten geben. Kein Paulysaal. Kein Neugrün. Kein Hamburger Bahnhof. Kein Weihnachtsmarkt. Nur so: Heute Abend werde ich zur Entschädigung (?) mit dem Bubi auf der lokalen Eisbahn ein alkoholisches Heissgetränk einnehmen. Oder zwei. Ach Du jeh. Wie langweilig. Wie wunderbar. Diese geschenkten Tage gerade immer.

Noch eins

Wie wir wissen, wird es zu 2013 nicht kommen, falls aber doch, erwartet mich (und meine Mitmenschen) visuell das:

Lange fließende Gewänder in den Farben Flieder und Türkis verbergen Ihre Konturen und verleihen Ihnen eine geheimnisvolle Note. Gerne tragen Sie einen auffallenden Hut oder einen orientalischen Turban, in der einen Hand ein Gläschen Prosecco, in der anderen ein Zigarillo.
© S. Schön, Astrologin, über Fischegeborene

Das ist toll. Kann ich den ersten Teil auch weglassen?