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Mein täglich ich #03

Nach dem Aufwachen das deutliche Gefühl, dass ich heute Zerstreuung brauche. Gegen die trüben Gedanken. Der Bubi spaziert mit uns (T+icke), was besseres kann nicht passieren. Wir wollen den Hof anschauen, der für 2,1 Millionen zum Verkauf steht. 50 Hektar. Findet der B. gut (mir reicht mein Geraffel). Der böse Hofhund bellt uns weg. Weitläufig drumrumspaziert. Wir erfahren also gar nicht, was wir für unsere Notgroschen bekommen hätten.

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Endlich ein bisschen Sonne. Verschwindet bald wieder. Schön ist’s trotzdem.

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Ich lerne, dass man als cooler Bauer einen Fendt hat. Oder zwei. Und dass so ein Fendt über 100.000 Euro kostet. Voll der Jungskram. Nötig ist das nämlich nicht. Aber wrrrrrooummmm. Verstehste.

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Jede Menge Pinguine sind unterwegs.

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Und die da, wo sie hingehören. Ich hab ein neues Tele (Weihnachten). Nicht übel, sogar mit Bergstation (ist von ganz woanders als sonst).

Daheim Kaffee und Kuchen mit der munteren Greisin. Bisschen unbezahlte schöne Arbeit. Rechnungen. Pferd. Schnee und Scheisse schaufeln (150 Minuten körperliche Arbeit die Woche, soll man, heisst es. Hahahahahahahahahaha)

Rest vom Sauerkraut (Schneck <3!) mit Kassler. Buch. Bett. Besser.

Mein täglich ich #02

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Der frühe Morgen verläuft wie immer. Bein Frühstück sagt die Greisin, dass sie nun doch zum Arzt möchte. Das stellt ein winziges Problem dar, denn über Nacht sind 30 cm Schnee gefallen: Unmengen von Schnee. Das sieht sehr hübsch aus, aber bis zur Strasse sind es fast 100 Meter bergauf, ich fang gleich an zu schippen. Der Nachbar kommt, ich erzähl, dass wir zum Arzt müssen und mitsamt Nachbarin schippt er mit. Er mit Maschine, wir Damen ohne. Nach über einer Stunde ist es geschafft.

Der Arzt hat heute keine Sprechstunde, aber seine Frau ist selbst am Telefon. Dann rufen sie zurück und sagen, wir können trotzdem kommen. In einer Stunde. Ich pack den Totzki ein, der hat seit neustem so ein kleines Knubbelchen (Aaaaaahhhhhh, das heisst oft nix gutes) und muss sowieso geimpft werden, und gehe vorher noch schnell zum Tierarzt, bis die Greisin abfahrbereit ist.

In der Praxis macht er sofort die Tierärztin in sich verliebt und ist ansonsten ziemlich kleinlaut. Das gefällt mir gut. Das Knubbelchen ist verschwunden. Als ich daheim ankomme, steht die alte Dame schon parat. Ist den steilen eisigen Berg alleine hochgestapft. Ich schimpfe nicht.

Der Arzt ist wunderbar, wie immer, findet alles seltsam, aber nicht sehr besorniserregend, schickt uns aber dennoch sofort zum CT. Ds kommt nichts schlimmes raus, aber dennoch Sachen, die man eigentlich nicht wissen will. Die Greisin ist ein bisschen beruhigt, keine Blutung, kein Gerinnsel, kein Tumor, ich erschöpft.

Schreibtischarbeit. Langweiliger Tiefschneehundespaziergang mit Streit über Verhaltensregeln. Pferd versorgen.
Butternutofengemüse mit Hühnerbein und Kräuterquark.

Internet flackert, also nur den halben Vargas geschaut (ich hab ja keinen Fernseher) und gelesen. Jawohl, ich habe in diesem Jahr schon ein ganzes Buch gelesen und ein halbes zweites. Früh eingeschlafen. Gar nicht schlecht geschlafen.

Mein täglich Ich #01

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Eigentlich sollte es ja weniger ICH werden, aber das kommt mir gerade richtig vor. Den Tagen nachfühlen. Ein bisschen. Festhalten. Gegen das Verschwinden. Vergehen. Verblassen.

Mein Tag beginnt immer gleich, gestern allerdings früher also sonst: Ich habe einen Termin! Yay!

Dem Trotzkiquengeln nachgeben. Duschen. Mein erster Gang immer zur Greisin:
Lebst Du noch?
Ja. Brumm.
Dann ist gut. Schlaf weiter.

Es ist noch dunkel.
Der fette Kater (mindestens 3 Kilo Winterspeck) steht vorwurfsvoll vor der Tür. Brüllt. Er kann rein und raus wie er will. Aber morgens soll ich. Voralpenrind will er. Alle bekloppt.
Kater füttern.
Vögel füttern.
Runter zur weissen Trine:
Lebst Du noch?
Ja.
Dann ist gut.

Pferd füttern. Hals Klopfen. Ach. Altes Pferd.

Feuer machen. Bis hier hin ist alles wie immer.

Ich hab das Auto oben ander Strasse stehen lassen. Die hatten ja Schnee vorhergesagt. Es ist tatsächlich ziemlich eingeschneit und ich fege und kratze 15 Minuten. Fahre sehr vorsichtig den Berg runter zur Bäckerei der Kusine. Butterbrezel und Cappucino. Sie erzählt von der sinnlosen profilneurotischen Langatmigkeit der gestrigen Versammlung. Ich weiss genau wovon sie spricht.

Dann hole ich E. und M. ab, um sie zur Sprachschule zu fahren. Integrationskurs. E. ist wahnsinnig aufgeregt, erzählt mir später die Nachbarin. Und ich ein bisschen brutal. Das kannst Du alleine sage ich und drücke ihr eine Papier mit den Busfahrzeiten in die Hand. Für die Heimfahrt. Denn meine Sitzung dauert sicher länger als der Einstufungstest.

Der Helfer- und Unterstützerkreis tagt. Das ist eine sehr kuriose Ansammlung sehr netter und sehr unterschiedlicher Menschen, die sich seit achtzehn Jahren für die hier untergebrachten Flüchtlinge engagieren. Zwei Leute vom Landratsamt sind da und beantworten rechtliche Fragen. Ich kapier’ das noch immer alles nicht. Titel. Duldung. Abschiebung. Wer wann welchen Schein braucht.

Es wird im März eine neue Sammelunterkunft geben. Für 80 Personen. Die Leute in diesem Dorf sind noch nicht informiert. Der Landkreis hat ein sehr eigenartige Attitude bezüglich der Miteinbeziehung der Bevölkerung. Ja klar, um zum fragen ist gerade nicht die Zeit, der Fluss der aus Karlsruhe zugeteilten Flüchtlinge reisst nicht ab. Alle Unterkünfte sind voll. Wohnungen will keiner vermieten. Aber so?

Ich erzähle von der Neckar-Odenwald-Facebookflüchtlingshilfeseite, weil ich inzwischen schon so oft gehört habe, dass Leute helfen wollten und, wie ich, keinerlei Ansprechpartner gefunden haben. Oder was abzugeben haben. Oder was suchen. Hier, scheint mir, hören die Leute Facebook und sind sofort dagegen. Bleib uns bloss damit weg. Einer fällt mir ins Wort wegen was anderem. Ich sag nix mehr, nach zwei Stunden, es wird noch immer geredet, gehe ich.

Einkaufen. Wenn man auf einem Berg lebt, fern von sonstiger menschlicher Besiedelung, und wenn man wie ich Einkaufen hasst, legt man Vorräte an. Damit man nicht so oft einkaufen muss. Früher, die Greisin ist ja ein Kriegskind, hatten wir eine riesige stromfressende Tiefkühltruhe, in der das halbe, von den Nachbarn für uns gemästete Schwein lag. Im Drahtschrank daneben hingen Schinken und Speck. Die Truhe wurde irgendwann abgeschafft, auch sonst habe ich die Vorratshaltung eingedämmt, dennoch kaufe ich für länger. Die Bier- und Wasserkisten schaffe ich mit dem Schlitten runter. Das ist eine echte Herausforderung.

Der Greisin ist blümerant. Schon seit Tagen. Legt sich wieder hin. Ich esse ein Stück Quarkkuchern im Stehen. Und renne noch zum Schreibtisch, um die Post zu erledigen. Wenigstens zum Teil.

Um drei bin ich mit dem Patentkind zum Englischlernen verabredet. Eigentlich will ich den Trotzki mitnehmen und das Kindlein zwingen, dann noch ein bisschen mit uns zu spazieren. Der ist aber mit der Nachbarin und deren Neffen verschwunden. Wenn hier ein Kind auftaucht bin ich komplett abgemeldet. Auch gut. Nervensäge.

Macht es prima, das mit dem Englisch. Nur Das TH. Zum Abschluss kucken wir Evelyn Hamanns Zusammenfassung der Folge von Zwei Cousinen. Finden Kinder heut sowas noch lustig? Das Patentkind schaut hochkonzentriert zu, verzieht kaum eine Mine und behauptet dann, es sei sehr lustig gewesen. Und ob das echt sei. Ich erkläre, wer Loriot ist und wir schauen noch Dr. Klöber und Herrn Müller-Lüdenscheit beim baden zu. Same. Hm.

Heim. Zwei Tonnen Scheisse schaufeln. Pferd versorgen. Pferd streicheln. Ach, altes Pferd. Greisin streicheln. Trotzki streicheln. Kater streicheln. Essen für alle organisieren.

Kürbis? Ne. Ich rühre uns eine Amatriciana zusammen, das ist so ein tröstliches Essen. Und Trost ist grad gut.

Ein bisschen Arbeit noch. Ist eh grad nicht viel, das ist schön.

TV. Heia.