Archiv für den Monat: Januar 2016

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Frau Casino hat gefragt, ich antworte.

1. mit wem sprechen sie täglich als erstes?

Natürlich mit dem Trotzki, der morgens ungefähr eine Stunde versucht, mich aus dem Bett zu kriegen. Da macht mir oft nichts aus, manchmal beginnt der Tag auch damit, dass ich ihn anbrülle. Was wenig nützt. Und ich dann sehr wach bin.
Der erste Mensch ist die Greisin, zu der ich meist etwas Albernes sage. Und dass sie noch liegen bleiben soll.

2. wann waren sie zuletzt verliebt?

Ich bin verliebt. Glaube ich. Ein seltsames Verliebtsein, mit recht wenig Aufregung (aber schon). Aus der Ferne. Vermutlich ein einseitiges. Mal sehen. Es ist kompliziert.

3. welches buch begleitet sie schon länger als 10 jahre?

Keins.

4. haben sie ein geheimes projekt? (ja/nein reicht)

Ja. Zwei.

5. lesen sie gedichte? wenn ja welche, wenn nein, warum nicht?

Ja. Sehr gerne. Und viel zu selten. Grad liegen meine 50 cm Lyrik in einem Umzugskarton in der Garage, was ihr sicher kaum gefällt. Ich hab keine Ahnung von Lyrik, ein Verflossener hat mich immer aufgezogen mit meiner Schwäche für Sarah Knirsch, wie er sie nannte. Gernhardt, Kunze, Skácel, Mascha Kaléko und klassische. Ist das Lyrik oder sind’s wohlmöglich nur Gedichte? Schiller, Morgenstern, oft einzelne, nicht so sehr das Gesamtwerk. Hebbel, Busch, Ringelnatz. Wie gesagt, zutiefst ahnungslos, aber mit Freude.

6. worüber haben sie zuletzt gelacht?

Meistens muss ich tatsächlich mit Esra lachen, wenn sie was Komisches auf Deutsch sagt, selber so lachen muss und die Augen verdreht. Oder mit dem Patentkind.

7. wofür haben Sie sich zuletzt ausgiebig zeit genommen?

Das kann ich nicht gut. Eigentlich bin ich immer unruhig und hektisch. Aber Mad Men schauen geht. Auch vier Folgen hintereinander. Ich fänd’s ja besser, mir für was anderes Zeit zu nehmen. Zu vermögen.

8. haben sie sich schonmal grundlegend geändert?

Vermutlich. War ich als Teenager ganz anders. War aber keine Absicht. Und ist nicht nur zum Guten.

9. sind sie glücklich?
 
Ja. Meistens.

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Er

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Ist immer das Gleiche. Ich will über etwas Wichtiges schreiben, und vor lauter Ehrfurcht vor der Wichtigkeit blockiert alles.

In diesem Fall voll ok, denn es scheint ein Sturm im Wasserglas gewesen zu sein.

M. hatte einen syrischen Freund in F. besucht. Wieder zu hause, befahl er seiner Familie einen baldigen Umzug, denn in F., einer Großstadt in der Mitte Deutschlands gebe es sicher Arbeit für ihn.

Esra übersetzt wie verrückt bei den neu ankommenden Flüchtlingen. Sie liebt ihren Sprachkurs (29 von 30 Punkten), sie liebt es zu lernen, ihre inzwischen zahlreichen deutschen Freunde, das Leben auf dem Dorf, wo man sich kennt und hilft. Und ja, sie wird zurückgeliebt. Sie erklärt den Neuen, wie wir in Deutschland leben, dass wir den Müll trennen, zweimal Mal am Tag die Zähne putzen und keine Wäsche aus dem Fenster hängen. Ich hab mich fast an meinem Börek verschluckt, als sie mir das erläutert hat. Sie ist im Kindergartenelternbeirat.

Ibrahim will in diesem Jahr Hänsele werden, auch die Mädchen freuen sich doll auf die Fasnacht. Er hat vorraussichtlich eine Lehrstelle nach der Schule.

Die mittlere spielt Fussball und Flöte mit flammender Begeisterung. Den Unterricht müssen sie nur anteilig bezahlen, denn Esra schneidet dem Musiklehrer die Haare. Sie liebt die Schule, ihre Lehrerin und ihre Freundinnen. Die Bücher. Den Wald. Und den Trotzki (diese Liebe ist allerdings bisschen einseitig).

Die Kleine fängt langsam an zu sprechen. Hat weniger Alpträume. Geht ab Februar ins Ballett. Und lächelt endlich.

Alle vier wollen absolut nicht weg. Aus ihrer schönen Wohnung. Von der Schule. Sport. Freunden. Vier Länder in fünf Jahren. Das erste Mal länger als ein Jahr an einem Ort. Das erste Mal angekommen.

Einigen der Beteiligten ist klar, worum es eigentlich geht. M. hat hier niemand. Quält sich im Sprachkurs, hat Mühe Deutsch zu lernen. In F. muss er das nicht, da sprechen um ihn rum alle arabisch. M. ist einsam und unglücklich, weil er nicht seine Familie ernährt, und bestimmt auch in seinem Stolz gekränkt. Ich kann ihn ein bisschen verstehen, jeden Tag sieht er mit an, wie souverän sich seine Frau hier bewegt. Wie leicht sie sich tut, wie sie ihn schon lange überholt und wohl auch zurückgelassen hat.

Kein Grund, die gesamte Familie rauszureissen. Noch hat er weder Arbeit noch Wohnung in F. Ich hab zu Esra gesagt, lass ihn gehen, probieren, und wenn er alles geregelt hat, kommt ihr nach. Zwischen den vielen Tränen hat sie ein bisschen gelächelt, denn wir wissen: Das wird nix. Trotzdem.

Wie es scheint, ist der Plan erst mal vom Tisch. Es bleibt aber aufregend.
Puh und das hat mich jetzt eine ganze Woche beschäftigt.

Das Ende

vom See. Und der Hund von hinten (und von vorne und ohne).
Das Wetter schlägt mir auf’s Gemüt (der Dauerregen, nicht der Nebel).
Vielleicht ziehe ich doch nicht nach GB, wenn ich gross bin.

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Sirenen

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Das neue Jahr haben wir schon mit einigem Fehlalarm in der Menagerie begonnen. Erst die Tierärztin: Also, wenn das Pferd das Wochenende überlebt, sollten Sie unbedingt den Equidenpass beantragen, wegen der Entsorgung. Hab ich gemacht, ich führe das hier jetzt nicht weiter aus, das Pferd jedenfalls ist wie neu.

Späte Blumenlieferung am Vorabend des 85. (!!!) Greisinnengeburtstag. Kein Begrüßungshund weit und breit. Nicht ein Piep. Verzweifelte Suche in tiefster Nacht. Hund im Wintergarten ausgesperrt. Uff.

Am nächsten Morgen (Geburtstag) bei der Petersilienernte für den Frühstückstoast: Ein kleiner Juchzer und der Trotzki schiesst wie ein Pfeil davon. Weg. Stille. Fuchs. Nach einer ziemlichen Weile ist er wieder aufgetaucht, ich war noch so verdattert vom Vorabend, dass ich nicht mal gemeckert hab. Es ist ja auch nur wegen der Strasse, die rasen hier oben vorbei wie die gesengten Säue. Den Fuchs erwischt er eh nicht.

Ansonsten läuft hier alles so glatt, dass ich von tiefem Misstrauen erfüllt bin.

Siracusa

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Auf einmal bemerkte ich, wie sich drei Gestalten in gemusterten Gewändern an den Instrumenten zu schaffen machten. Eine Frau, zwei Männer, einer davon schwarz, aha, dachte ich, der ist sicher aus dem Sudan. Natürlich waren das islamistische Terroristen, das war mir sogleich sonnenklar. Ich erhob mich von meinem Platz, drängelte mich durch die Reihen bis nach vorne und zog den Zündschlüssel ab. Ein Zündschlüssel für einen Düsenflieger. Damit war die Tür entsichert, ich öffnete sie, sprang auf die Landebahn und rannte. Es kam mir überhaupt nicht in den Sinn, die anderen zu retten, nur meinen eigenen Arsch. Erst hinterher, beim Verhör bei der Polizei war ich erschüttert darüber, dass ich die beste Freundin in diesem Flugzeug einfach so zurückgelassen hatte.

Es sieht tatsächlich ein bisschen so aus, als würde ich mit einem mir ziemlich fremden Mann im Mai für eine Woche nach Sizilien reisen. Er behauptet, er könne sich gut vorstellen, im Rahmen eines Vulkanausbruchs gemeinsam mit mir unter einer sieben Meter dicken Schlammlawine begraben zu sein. Wenn das mal nicht vielversprechend ist.

Ach, und mein Silvesterglückskeks übrigen so:
Someone will give you the good things of life.