Archiv der Kategorie: Berliner Luft

Disney

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Den Kater auch noch mitgenommen.
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Ja, es ist schön. Ja, es schmeckt toll. Ja, es sieht ein bisschen aus wie früher.
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Aber es ist halt eine Kulisse. Eine sauteure Kulisse. Sowieso Wehmut. Vergänglichkeitsschmerzen. Jetz schnell heim.

Leider leider

wieder nur mein schönstes Ferienerlebnis. Bestimmt wird eine Zeit kommen, in der es hier wieder mehr gibt als Bildlein mit Untertiteln.

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Jedenfalls muss ich ein für alle mal mit der Annahme Behauptung aufräumen, der Berliner sei barsch und muffig. Ich beobachte das ja schon eine Weile, genaugenommen seit ich in die Provinz gezogen bin: Der Berliner ist von außerordentlichem Liebreiz, freundlich und hilfsbereit. Gestern zum Beispiel ging mein Fahrradschlüssel mit einem Mal nicht mehr aus meinem deutschen Wertarbeitsfahradschloss und das nun leider mitten auf der Bergmannstraße. Ich also mit Fahrrad ohne Schloss und eh ich mich’s versah, zogen drei anatolische Knaben vom nahgelegenen Gemüseladen mit mir am Schlüssel, sprühten Sachen rein und gaben alles, um dann doch mit mir gemeinsam zu resignieren. Der hübsch bemalte Mann im Fahrradladen (neues Schloss) überschlug sich vor Eilfertigkeit und gekrönt wurde die ganze Sache von der knuffigen Lady im Bezirksamt mit der ich scherzte und plauderte, dass die Schlange hinter der Tür bis zum Treppenhaus anwuchs. Die war dann nicht so wohlgelaunt wie wir zwei (die Schlange).

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Dann hab ich mich doch noch ein bisschen geärgert, denn Meret Oppenheim hat sicher Verdienste für die Frauenbewegung geleistet, ihre Kunst sagt mir leider gar nix. Fast nix. Die Masken waren sehr schön und sie selbst auch.

Beuys jedenfalls lebt. Und arbeitet. Heimlich. In der Kastanienalle.

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Und essen war ich auch noch. In dieser Schickimickiwichtigbeiz. Ja. Überschätzt. Aber hübsch. Die Bilder der Gasträume betrachten Sie bitte auf der Webseite. Das ist der Gang zum vom Klo.

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Morgen fahr ich wieder heim. Zu Herd und Hund.

Huschhusch

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In Ulm: Alles da, kann losgehen.

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Die große Stadt gibt sich alle Mühe mit ihrem Empfang.

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Und dann endlich was Ordentliches zu essen.

Die Sonne scheint. Ich muss zum Bezirksamt. Guten Morgen.
(Und ich bin übrigens die mit dem Rollkoffer)

Geräusche

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Jaja, klar, denk ich, zwei Japaner am Nebentisch vor der Markthalle, machen Europa in fünf Tagen und essen jetzt ne Schweinshaxe. Und dann unterhalten sie sich über Stau auf dem Stadtring. Akzentfrei.

You really look like an actor, die Kellnerin strahlt den schönen schwarzen Mann an, und erzählt ihm dann begeistert von ihrer eigenen Karriere. Auftreten in einem besetzten Haus in der Mainzer Strasse. Sie nennt das Occupied House. Warum nicht.

Ich mecker gleich mal in alter Gewohnheit die Frau am Meze-Stand wegen Drängeln an. Sie meckert zurück und hat auch noch recht. Schuldigung sag ich, dabei hab ich’s noch nicht mal eilig. Da lachtse. Ich auch.

Und was genau ist noch mal besser an blickdichten Strumpfhosen zu Hotpants wo unten die Hosentaschen rausschauen und dazu Stoffturnschuhe, als an Socken in Sandalen?

Baiser und Kaffée sagt der junge Mann vorm Engels der mir beides bringt und lacht, das reimt sich ja, freut sich und geht von dannen. Nach drinnen.

Bis bald, Berlin!

Been there done that

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Ich liebe mein Fahrrad. Aber der Dieb des letzten (ollen!) mitsamt fluffigem Gelsattel soll in der Hölle schmoren. Oh Schmerz. Irgendwo im Keller muss noch einer sein (kein Dieb, kein Schmerz, ein Sattel)!

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Sehr sehenswerte, berührende Ausstellung in der Berlinischen Galerie: Tobias Zielony, Jenny Jenny. Atmosphärische düstere Aufnahmen junger Frauen vom Straßenstrich in der Kurfürstenstraße (fotografieren in der Ausstellung verboten). Auch seine Serie Trona über Jungendliche in einer untergehenden amerikanischen Kleinstadt hat mich beeindruckt. *

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Ich soll gesagt haben, ich fände Urban Gardening albern? Niemals.
Wer Entspannung sucht, tummle sich im Allmende Kontor auf dem Flugfeld.

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Sehr zufrieden mit den Neuerwerbungen. Nur der Platz.

Und drumherum viel zu viel Schreibtisch. Ein Jammer. Bei diesem Klima.

* Ich lass das zukünftig. Lesen Sie bitte die Webseite oder den Artikel im Monopol.
Oder gehnse hin. Ich bin schließlich Grafikerin und keine Kunstkritikerin.

Westen

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Wie konnte ich mich nur so lange Jahre nicht nur im Mann sondern auch im Stadtteil irren. Oh Kreuzberg, Du unordentlicher, vielfältiger, wunderbarer Ort (ich komme mir langsam vor wie Freundin T., die immer und überall ihre schönen grünen Augen aufreisst und ihrer unerschütterlichen Begeisterung lautstark Ausdruck verleiht, während ihr Gatte und ich wenig nachsichtig mit denselben rollen, das ist jetz Ihre Aufgabe).

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Ein Segen, dass ich hier so neu bin, dass mir die beklagtenswerten Veränderungen wenig auffallen. Für mich ist das hier immer noch ein Urwald und ich kann sogar ein klitzekleines bisschen verstehen, warum jeder kunsthandwerksschaffende Grünschnabel auf der Welt nach wie vor findet, er sollte ein paar Jahre in Berlin verbringen (und nicht in Glasgow, Istanbul oder Peking). Ach Ostberlin, was ist nur aus Dir geworden. Ich vermiss‘ Dich keine Sekunde, selten war mir ein Abschied so wenig schmerzvoll.

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Na, war ja nicht alles schlecht. Jedenfalls nicht immer. Daran wurde ich gestern auf einer duften Ausstellung im Bethanien erinnert: Wir sind hier nicht zum Spass. Kollektive und subkulturelle Strukturen im Berlin der 90er Jahre. Und ich nickte beifällig und verdrückte ein Tränchen (fast) und dann begegnete ich noch ein paar alten Bekannten, nicht in echt, nur ihren Exponaten, mit dem einen hatte ich einen erbaulichen mehrsemstrigen Kunsthochschulkaffeethekenflirt, ich dahinter, er davor, des anderen Wohnung hab ich mal untergemietet und sowas.

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Ach ja, und vorgestern war ich nicht nur beim Vietnamesen, sondern auch beim Inder, mit dem konnte ich gar nix anfangen, war zudem in ungnädiger Laune und habe das in Lichtgeschwindigkeit hinter mich gebracht. Das einzige, was ich wirklich toll fand, war die Kanone mit der ein großer roter Wachszylinder auf eine weisse Wand geschossen wurde. Wirklich allerliebst. Und laut auch.

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Aus Geizgründen hatte ich mich für Kapoor und Klee/Itten entschieden und gegen den Antes. Ich hatte gedacht, ich könne die neue Duldsamkeit gleich mal bei der Klassischen Moderne anwenden, was für eine abwegige Idee. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern bis ich diese Übersättigung wegverdaut hab. Rülps.**

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* Ja, das ist Tempelhof, aber wir wollen da mal nicht kleinlich sein, wa?
** Ich weiss, meine Ausstellungskritiken lassen sehr zu wünschen übrig.
Dafür sind sie umsonst.

Übrigens finde ich Urban Gardening albern. Fand ich.
Aber eigentlich sowieso nur das Gequatsche darüber.
Und das mit der Belichtung geht nicht besser mit dem Telefon.

Zusammenstöße

1mai

Es muss im Jahr 95 gewesen sein, auf jeden Fall schon lange her, Walpurgisnacht. Wir waren verabredet am Kollwitzplatz, der A. wohnte dort in einem besetzten Haus, es gab Parties da mit elektrischer Musik und gratis bunte Bonbons in den dunklen Winkeln. Menschen mit breitem Grinsen und stachligen Frisuren. Die Freunde waren vorgegangen, ich hatte mit dem Kommunisten noch schnell den ersten Beelitzer Spargel verspachtelt. Der hatte dann was anderes vor und ich machte mich alleine auf den Weg.

Und geriet arglos bescheuert mittenrein (wird schon nicht so schlimm sein): Tränengas direkt ins Gesicht und Steine um die Ohren. Ein Glück schnell von einem entschlossenen jungen Herrn aus der Schusslinie gezerrt, fand ich mich wieder mit anderen Fassungslosen hinter kaputten Fensterscheiben in einer zertrümmerten Kneipe in der Gas waberte und Wasser stand. Zwischen weinenden Festbesuchern, dicht zusammengedrängt, schutzsuchend. Sah brave Buben, die zu Steinewerfern wurden und fühlte die sich immer weiter aufheizende Stimmung, eine Mischung aus Angst und Aggresivität. Vorallem die Verblüffung, wie schnell aus einem zwangsgelöschten Hexenfeuer ein Aufstand werden kann. Der H. sagte später, nie im Leben hätte er von sich selbst vermutet, er würde jemals Sachen auf Polizisten werfen. Alle warfen irgendwann. Jedenfalls sah es danach aus.

Auf die Party habe ich dann verzichtet. Verklebt, durchnässt, verängstigt mich auf den Nachhauseweg gemacht, vorbei an rauchenden Trümmern. Kein erster Mai mehr für mich von da an. Bin dann immer an die Ostsee gefahren. Oder es gab Spargel mit neuen Kartoffeln auf dem Balkon.

Natürlich ging es da um nix. Trotzdem muss ich beim Bild der Frau im roten Kleid immer dran denken. An Willkür und Schutzlosigkeit.

Ich wünsche den Menschen in der Türkei, dass sie gehört werden. Occupy Gezi!

(Es lebe das Adjektiv)

Very Good

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Vermutlich ist schon aufgefallen, dass ich ein Kippenbergergroupie bin. Der gute Martin war nicht nur eine unerträgliche Nervensäge, ein begnadeter Kalauerer und ein maßloser Säufer, ich verdanke ihm auch einen der schönsten Abende der letzten Jahre. In einem durch und durch schlechten Jahr.

Und das kam so: Im Jahre 2011, im Sommer, hatten sich die Zustände im Hause Montez/Schulze zu solcher Unerträglichkeit verwickelt, Lug und Trug lauerte in allen Winkeln der adretten Maisonette und jedes noch so gut gemeinte Wort war der Beginn langer und zielloser Auseinandersetzungen, was wessen Schuld und wer angefangen und falsch, böse und schrecklich und überhaupt. So wurde entschieden, dass man den unvermeidlichen Auszug separat gestalte, der F. weilte auf dem umbrischen Landsitz, währens ich freudlos meine siebzehn Habseligkeiten in blaue Müllsäcke verpackte. Tagsüber. Abends traf ich Freunde, allesamt dem F. nicht wohlgesonnen und wir schimpften, tranken und verwünschten, während meine Tränen geduldig getrocknet wurden.

Eines Morgens dann in der Post: Susanne Kippenberger liest aus ihrem Buch in einer Dachwohnung in der Kollwitzstrasse. Ich gleich so: JJ, kommste mit zu Kippenberger? Der JJ: Wer ist das? Ich: Wird dir gefallen. Was für ein wunderbares Ablenkungsabendbrogramm. Literatur in den Häusern der Stadt bedeutet, private Gastgeber öffnen ihre Wohnung für ein kleines Publikum, das dort bei einem Imbiss einem Schriftsteller lauschen kann.

Also an jenem Abend den vorläufig letzten Müllsack ins Eck geschoben, gewaschen, Lidstrich gezogen und los. Um die Ecke. Und da alles zu jener Zeit nicht so war wie immer auch das: Ich war ein Viertelstündchen zu früh. Gegenüber der Spielstätte ein Schuhladen (einer meiner Lieblingsschuhläden). Rein, Schuhe probiert, gekauft, raus, aufs Bänkchen gesetzt, alte Schuhe aus, neue an.* Acht Uhr. Auf die Minute.

Ein wunderbarer Sommerabend. Eine wunderbare Wohnung mit Dachterrasse. Wunderbare Gastgeber, ein schwules Paar, Fotografen, die das das ganze Haus direkt nach der Wende gekauft, sich den obersten Stock spektakulär renoviert hatten und die restlichen Wohnungen zu marktunüblich moderaten Preisen vermieteten. Eine mitreißend lesende Autorin, eine wildgemischte andächtige Zuhörerschaft und mengenweise Kaltgetränke. Nach der Lesung mit dem wunderbaren Freund vertrautes Gespräch, Weisswein und Zigaretten, Blick von oben auf die Kollwitzstrasse. Der Duft der Linden. Ein Neubeginn.

* Diese Schuhe trug ich am Freitag bei einer hiesigen Ausstellungsvernissage. Sie wurden sehr gelobt. Hier in der Provinz kann man mit Schuhen von 2011 noch was reissen!

Inbrunst

Die Stadt ist mir eine Alte in Kittelschürze, mit einem Herz, gross wie ein Eierkuchen, ein reicher Anwalt mit Gel im Haar, der mein Mittemittagessen zahlt und mir das Herz erwärmt, so klug und freundlich, und so ein alter Freund. Ist eine Frisur in Bicolor, angeklebte Fingernägel lilametallic, mit Strasssteinchen, Automatencasinos und Hundescheisse, ein junges Ding mit großer Brille, roter Rahmen, Fensterglas, Windelrock und beigen Seidenstrümpfen, Bübchen in Röhrenhosen mit löchrigen Bärten. Fondant au chocolat und Meze, und meinesgleichen, tätig für internationale Organisationen, kenntnisreich in Prozesssteuerung und französischem Rotwein, Doppelhaus in Babelsberg, Baugruppe und Käsewürfel.

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Sie ist freundlich und plaudert überall mit mir, wo sie früher schwieg oder oder sehr pampig war, ich mit, im Blumenladen, im Späti, in der Strassenbahn in Weissensee lächelt einer, weil ich ihm auf den Fuss getreten bin, mit Entschuldigung und wünscht mir einen schönen Tag. Ist mir taxifahren durch die Nacht, ein Kloss im Hals und tausende Geschichten, mit Tränen, mit Glück und Liebe, Sex und Drogen, Zwietracht, Nähe und Erwachsenwerden. Zweimal hab ich mir hier das Herz gebrochen.

Nur die Frau im Bürgeramt kennt kein Padong, Ordnungsstrafe bellt sie und mein provinzielles Lächeln prallt an ihr ab, dann kriegen wir doch noch die Kurve, kommse halt nochmal. Nagut. Man steht schon für die Wartemarken an. Der Fotograf riecht dumpf nach Schnaps und Rauch und hält die Kamera schief, mit Mühe schaffen wir doch noch Isometrie, ganz knapp. Schön auch nicht, fast gerade aber.

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Gleiche Beleuchtung: Bürgeramt Yorckstrasse, Osmans Töchter

Und diese Freunde. Solche Freude. Kaffee, später Bier. Essen mit vielen Gängen. Geschichten, alte, neue, Geschenke und gute Ratschläge. Und dann hatte ich noch ein Blinddate, ein gelungenes, besonderes. Die Zeit verging im Flug.

Spät nachts rauchen am offenen Fenster, Autos knastern über Pflastersteine. Ich atme. Es stinkt. Und duftet. Nach Pathos.

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Alles blüht. Vastehste.