Archiv der Kategorie: Erlebnisreisen

Woanders #02

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Die Englandreise der L. ist wegen Komplikationen verschoben. Meine eigenen Reisepläne zerplatzen gerade wie Seifenblasenblasen, es scheint, als würde es statt Lissabon, Marseille und Island doch wieder auf meine Lieblingsinsel hinauslaufen. Dank der Recherchen der L. weiss ich nun, wie günstig und unproblematisch man von hier mit dem Zug nach London fahren kann. Keiner meiner Freunde wohnt mehr in London, das ist ein wenig merkwürdig, denn gefühlt haben die da alle mal gewohnt. Am Allerschönsten der P., in einem eigenen Reihenhaus in Brixton, drei Stockwerke, schlicht renoviert und sparsam mit ein paar Merkwürdigkeiten vom Trödel möbliert. Der Mann hat einen unfehlbaren Geschmack. Leider lebt er inzwischen in Berlin und die Zeit der rauschenden Grillfeste mit seinen jamaikanischen Nachbarn gehören der Vergangenheit an. Und die der ewigen gegrillten Makrelen vom Grossmarkt. Perfekt fürs Gartenfest. Überhauprt der Garten: Nur Lavendel und weisse Kletterrosen, das finde ich zauberhaft, würde es aber nie durchhalten, da es Tausend Blumensorten gibt, auf die ich nicht verzichten kann. Dort vor vielen Jahren das erste mal gehört: Ladybird. Kein Vogel.

Daher nicht nach London. Oder nur kurz. In Devon und in Somerset waren wir ja schon. Also direkt nach Cornwall. Am besten erstmal nach Boscastle, weil es da besonders schön ist. Und weil es ungefähr da einen grossartigen Abschnitt des Southwest Coast Path gibt, auf dem man theoretisch die ganze Halbinsel umrunden könnte.

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Das machen wir dann auch mal, so wie Lynley. Jetzt gehen wir aber erstmal nur von Boscastle nach Tintagel, auf dem Weg kommen wir durch das Rocky Valley, mit der rätselhaften Felsritzung aus der Bronzezeit (?) und einem Wasserfall (über all das weiss allerdings die Krabbe viel besser Bescheid, die hier in der Nähe mal einen ganzen Sommer verbracht hat).

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In Tintagel stand der Sage nach die Burg von König Artus. Von der sind noch ein paar Steine zu sehen, komplett ist dagegen die völlig exzentrische Plattenbauhotelburg Camelot Castle, die auf jeden Fall eine Tasse Tee (und ein paar Scones) wert ist. Alle anderen Stars waren auch schon da.

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Ansonsten kann man diesen ollen Ort ignorieren, wenn man in der Nähe übernachten möchte, kann ich das Port William Inn wärmstens empfehlen, es liegt spektakulär fast direkt am Meer in einem winzigen Nest namens Trebarwith Strand. Dazwischen stehen nur ein paar glattgewaschene Schieferformationen, auf denen man prima herumstaksen und sich fürchten kann, ins Wasser zu fallen. Das ist bewegt und kalt. Aber dafür gibt es ja Anzüge.

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Wenn man die Schnauze voll hat von Pubfood und Ledersesseln, fährt man am besten Richtung Watergate Bay und macht Rast bei Jamie Oliver im Fifteen. Nachdem man über den riesigen Strand spaziert ist und denn Mädels und Jungs beim Surfen zugeschaut hat zum Beispiel. Ich mag das Surfen. Konnte ich mal bisschen. In Noosa Heads gelernt, von einem schwarzhaarigen blauäugigen Iren.

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Ich hab dort nicht gegessen, wir waren da zu einer ungünstigen Zeit, kann also nur sagen, dass es hübsch aussieht. Und die Karte interessant ist. Im Scarlet war ich auch nicht, das ist der Plan der L., die zahlt ja sowas aus der Portokasse. Wir bleiben da heute auch über Nacht, Internet kost ja nix. Als nächstes geht es nach Mousehole. Und dann kommen die Gärten! Unglaubliche Gärten. Man erblasst.

Die anderen Etappen der Reise sind woanders.

Die Kinder der Anderen

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Fünf Kinder (wollte ich auch immer). Mein Lieblingstisch. Die Frau Mutter sieht aus, als wolle sie mit Sie angesprochen werden. Sie ist ungefähr 1,85 gross und alleine da mit ihren Sprößlingen. Trägt einen strengen blonden Bob und taubengroße Brillianten an den Ohren. Um die schlanken Handgelenke schlackert Goldenes, mit glitzernden Steinen. Kleidung: Schwarz. Vier Töchter, ein Sohn, kam mir erst vor, als seien sie gleichalt, inzwischen halte ich den Bub und eines der Mädchen für ältere Zwillinge und die anderen drei für die kleinen Schwestern. Die sehr langen Mädchen trägen hautenge Röhren und dazu fette Boots, die an den dünnen Beinen wie dicke bunte Klumpen aussehen. Des Buben Hosen hängen locker.

Die Kinder, alle so Mitte Ende Teenagerzeit sind sehr brav und wohlerzogen. Einzig der Sohn erlaubt sich manchmal morgens beim Gang zum Büffet, irgendeine Unzufriedenheit durch diesen schlacksig schleppenden Gang kombiniert mit dem Gesichtausdruck größtmöglicher Entnervtheit, Ausdruck zu verleihen. Die Mädchen sind freundlich und ruhig, sehen sich untereinander ähnlich, der Mutter nur ein bisschen, alle brünett und glatthaarig.

Ich grüße diese germanische Irmgard solange hartnäckig und lächle sie dabei an, bis sie mich zurückgrüßt (zwei Mal bis jetzt). Das löst größten Wiederwillen in ihr aus und ist ein Spass für mich. Vielleicht kann sie mich nicht sehen, weil sie so gross ist? Oder sie hat was mit den Ohren?

Sie ist die Geschiedene allein reisende Ehefrau eines weltweit operierenden Dübelfabrikanten aus dem Schwäbischen (schwäbisch ist sicher), die Kinder besuchen die Oberstufen verschiedener Internate.

Das Glück der Anderen

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Das Ehepaar am Nebentisch beschäftigt mich allabendlich. Seine Verlorenheit schwappt so fühlbar bis zu mir, dass sie mich regelmäßig vom meinem wunderbaren Essen abzulenken vermag.

Er trägt jeden Abend ein anderes buntes kurzärmliges Hemd, das mit mir unbekannten Schriftzügen bestickt oder bedruckt ist, dazu eine Jeans mit kunstvollen Löchern oder Applikationen, sie schlichte langärmlige Blusen und Pullunder zu unauffälligen Stoffhosen, alles uni. Ich frage mich, ob sie seine Kleidung kauft. Ob sie findet, ihr Mann sehe besonders sportlich darin aus. Sie sind sehr freundlich grüßen mich immer, und sprechen dann den ganzen Abend kein einziges Wort miteinander. Er trinkt Bier, zum Lamm, zum Winterkabeljau, zum Kalbsrückencarpaccio, zur Lachsforelle, zum Hummersüppchen, zu Palatschinken und sie immer den gleichen rosa Zweigelt. Ich rate, er ist Leiter der Lehrwerkstatt in einem metallverarbeitenden Betrieb, sie arbeitet Teilzeit in einer Bäckerei. Diesen Urlaub haben sie bei einem Preisausschreiben gewonnen und haben sich vorgestellt, wie aufregend das sein würde, und jetzt haben sie so offensichtlich kein Vergnügen daran, dass es mir das Herz zusammenklebt. Ich möchte was nettes Tröstliches sagen, aber eigentlich geht mich das ja gar nix an. Zerbrich Dir nicht immer anderer Leute Kopf, schimpft der F. in meinem.

Oben

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Am Montag war der Frosch ganz krank
jetzt raucht lacht er wieder, Gott sei Dank.
Rauchen tut er er heute Abend. Möglicherweise.

Gehaltvolle Pistenerkenntnisse:
Am Schönsten ist das metallische Geräusch der Bergdohlen
Grün ist das neue Schwarz
Ich fahre länger Ski als Fahrrad

Schauer

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Ländlich früh aufgewacht, fröhlich gefrühstückt und dann plötzlich einer überwältigenden Erschöpfung anheimgefallen. Was kommt da denn nun alles wieder raus (ja, ich habe manche Ahnung)? Edi auf morgen verschoben und wieder ins Bett gelegt. Ein Glück, es hat angefangen zu schneien, das macht es leichter. Darf sowas sowieso erst (Erlaubnis von mir selbst) seit der Krankheit, komme mir trotzdem schlecht vor. Der Mensch muss doch was leisten, und sei es Skipisten runterrasen.

Die haben hier ihr Wasser nach mir benannt. Und können auch keine Rechtschreibung.

Woanders

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So, statt der andauernden Larmoyanz gibt es jetze mal eine kleine Reise. Gestern war ich bei der L., um ihr ein paar Tips für ihren Südwestenglandtrip zu geben und wir reisten digital davon, zu blauem Himmel und tosendem Meer. Ich behaupte, dass ich mindestens die Hälfte meiner Englandreisezeit klares Wetter hatte, natürlich oft nicht den ganzen Tag, aber ordentlich zwischendurch, zur Aufmunterung. Und als ich so schwadronierte von Ginster, Kamelien, Scones and Clotted Cream, kleidsamen Gummistiefeln und stürmischen Ritten durch die Hochmoore, dachte ich mir, nach all dem Gejammer passt das hier ganz gut hin, hab ja eh gerade alles für sie recherchiert.

Erstmal nach Devon: Wann immer von Lynton und Lynmouth die Rede ist, muss ich an Loriots Was geschah in North Cothlestone Hall? denken. Tatsächlich ist es da außerhalb der Saisons ganz zauberhaft, wenn man viel Geld hat, kann man im Rising Sun wohnen, wenn man nur ein bisschen hat, geht man da Abends zum Essen (und wohnt in einem der vielen B&Bs), auch wenn man dort nicht mehr, wie wir bei unserem ersten Aufenthalt zu schalem Ale in leidenschaftliches Gespräch vertieft, in Windeseile eine ganze Schachtel Zigaretten rauchen kann, die soviel gekostet hat, als beinhalte sie kubanische Zigarren.

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Nach Lynton kommt man von Lynmouth mit einer klapprigen herausgeputzten Wasserballastbahn Zahnradbahn, an deren Ende sich ein empfehlenswertes Teehaus mit Meerblick (und selbstgebackenen Scones natürlich) befindet. Dort oben, in einem kleinen Antiquitätengeschäft hörte ich von dessen Besitzer zum ersten Mal von Lorna Doone, der Protagonistin einer Art Romeo und Julia Novelle aus dem 19. Jahrhundert. Jeder Engländer, dem wir erzählten, davon hätten wir nie gehört, schüttelte ungläubig den Kopf. Von hinter Lynton geht man einen verwunschenen Weg am Badgworthy Water entlang, dort im geheimnisvollen Exmoor spielt diese Geschichte voller Liebe und Rache, und wenn ich mich recht entsinne, steht da irgendwo sogar ihr Grabsstein.

Von dort nach Somerset: Hat man noch nicht genug Moor, sollte man zum Beispiel zu den Tarr Steps reisen, und dort wieder den Fluss entlang spazieren, an dessen Ufer auch manch eine ihr Leben liess.

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Einen Tee bekommt man in der Tarr Farm, zum Wohnen bietet sich bei mäßigem Reichtum eher die Streamcombe Farm an, wo man auch ein sehr gutes, vom Hausherrn zubereitetes Abendessen bekommt. Die L. hat mich etwas erstaunt darauf hingewiesen, dass ich, aus der absoluten Einöde kommend, mir meist Unterkünfte in der absoluten Einöde suche. Stimmt. Seit Go*gle Maps achte ich drauf, dass die nächste menschliche Ansiedlung möglichst weit entfernt ist.

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Jetz sind wir noch nicht mal in Cornwall. Und schon soviel Text.

Die anderen Etappen der Reise sind woanders.

Keine hört auf mich

sturm

Die ewige Meeroderbergefrage (die ja eigentlich keine Frage ist). Hab ich mal erwähnt, dass ich die Berge allerhöchstens aus der Ferne mag?
Und vielleicht ein paar Tage mit den Skiern runterfahren?

Natürlich ans Meer. Zu jeder Jahreszeit. Berge. Ts. Völlig überbewertet.

Also wirklich mit Herz

Seit ich selten in der Stadt bin, laufe ich wohl mitunter mit weit aufgerissenen Augen und herunterhängender Kinnlade in denselben herum. Was einen sehr schönen Effekt hat: Der Ausdruck dümmlicher Überforderung und unverholenen Staunens rührt die Menschen. Alle sind nett zu mir: Taxifahrer, Kellner, Portiers, Busfahrer und VerkäuferInnen. Überall. In Sevilla, in Malaga, in London, in Berlin, in Glasgow, in München. Alle erklären mir den Weg, verraten mir, wo es den besten Schnittlauch gibt, den nächsten Geldautomaten, wie die so sind beim Kreuzberger Finanzamt, wo man einen Hammer kaufen kann und so. Neulich bin ich im Bus neben einer älteren Dame gesessen, als wir den Heinrich-Heine-Platz passierten. Ob ich den kenne (den Dichter), wollte sie wissen, ich möge den sogar verriet ich, und dann deklamerte sie für mich mit lauter fester Stimme:

Denk ich an Deutschland in der Nacht,

Dann bin ich um den Schlaf gebracht,

Ich kann nicht mehr die Augen schließen,

Und meine heißen Tränen fließen.

Das blieb dann glücklicherweise aus.

Aber ich wollte ja von München erzählen. Meine Reisen dorthin erfüllen mich immer mit tiefer Zuneigung zu meinen drei sehr verschiedenen alten Freundinnen dort (die sich nur flüchtig kennen). Die K. hatte ich ja mit zwei Nächte gemeinsam in Altkleidern wühlen, schlimme Kalauer machen und auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen abgearbeitet. Des Abends zur zweiten: Der mondänsten und glamourösesten meiner Damenbekanntschaften. Sehr bestimmt, sehr streng, beruflich sehr erfolgreich und wenn sie einen liebt ist alles gut (wenn nicht, sollte man sich in acht nehmen). Sie habe mich in einem kleinen Gasthaus untergebracht, teilte sie mir mir, Stornierung sei nicht möglich, ihr koreanische Mitbewohner könne Übernachtungsbesuch nicht ausstehen.

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Ich reiste an, checkte ein, motzte mich auf und wir trafen uns in der Hotelbar. Und wechselten hierher zum Essen. Endlich mal was Ordentliches. Der Glasnudelsalat war wundervoll. Und der Loup de Mer sehr gut.

Die Lady trinkt gerade nicht. Was mich ja nicht abhält. Am Ende dieses wunderschönen zugewandten anregenden Abends war ich außerordentlich betrunken. Also sehr. Grossartig. Fiel ich elend spät in mein Gasthausbett, schlummerte wie ein Stein und erwachte wie üblich früh am morgen (Landei), aber wie nach derlei Ausschweifungen eher nicht üblich, frisch wie ein Frühlingstag. Es gab noch ein gemeinsames Frühstück mit stärkenden Eierspeisen und ich besichtigte kurz die neue Wohnung, eine Wahnsinnswohnung, drei Balkone, altes Eichenparkett, ein ausgestopfter Pfau oben auf dem Regal und eine Million schöne grosse teure Bücher. Allerdings nur bei ihr. Der Koreaner, Professor für Gestaltung, schläft in einer weissen Mönchszelle. Bett und Stuhl.

Dann eilig zur dritten, der D., die mittlerweile ihren ersten SM-Bestseller auf die Beine gestellt hat (als Verlagsleiterin). Auch hier gab es viel zu besprechen, dafür eignete sich der Spaziergang zum Nymphenburger Schloss und im anhängenden Park.

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Ein sehr schöner Park. Voller eingeborener Ornithologen. Dufter Trick, wenn man sich mal nicht ausreichend beachtet fühlt: Man hänge sich ein Fernglas um, betrete einen Park, verharre unvermittelt reglos und blicke nach oben. Alle bleiben stehen und fragen. In diesem Fall auch wir und wie wir erfuhren wegen der seltenen Seidenschwänze. Viel erkennen konnte man ohne Fernglas leider nicht. Aber deshalb waren wir ja auch nicht da. Daheim gab es Kaffee und selbstgebackenen Kuchen, nicht zielführende Debatten über die nächste gemeinsame Reise des Damenkränzchens (ojeh). Selbstgemachte Pasta. Und dann den Bodenseetatort, dessen angeblich bessere Sequenzen ich selig an D.s Schulter verschlief.

Und zwischendurch bekam ich noch eine Einladung nach Reykjavik, von einem isländischen Lichtkünstler mit Atelier in einem alten Kraftwerk, für Juni. Ich habe es wirklich gut.