Archiv der Kategorie: Früher war alles besser

Süperjübiläüm

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Ein Jahr. Ein Jahr heute! Wer hätte das gedacht. Ich nicht.

Weg aus der großen Stadt, rauf auf dem Berg. Und dann ohne den F. sein. Der F. und ich haben sehr viel miteinander gestritten gesprochen. Wenn wir weit auseinander waren, haben wir telefoniert. Stundenlang. Eines Tages wollte ich nicht mehr mit ihm sprechen, wie es dazu kam ist eine lange, komplizierte und hässliche Geschichte, die entweder andermal oder gar nicht erzählt werden wird. Ist eh nicht so interessant. Nicht mehr.*

Jedenfalls saß ich plötzlich fast allein hier oben im Wald, in der Nähe die Greisin, die eine sehr kurzweilige Gesprächspartnerin ist, aber eben auch noch meine Mutter (da gibt’s ja auch unpassende Themen), Hund, Pferd und Käter sind eher wortkarg, und die Lieblingsnachbarn, die ich keinesfalls missen möchte, sind dauernd nach Kirgistan verreist.

Kann man ja mal wieder ein bisschen in dieses Internet reinschreiben, vielleicht liest das wer. Und sagt was dazu. Hab ich mir so gedacht. Das waren dann so zwei, drei. Sehr viele mehr sind es noch immer nicht, das macht aber nix. Den ersten Kommentar hat Herr Kid geschrieben. Das war toll und hat mich besonders gefreut, denn den kannte ich ja schon lange. Den zweiten meine Freundin Annemarie Krabke, eine der wenigen Eingeweihten.

Und kurz danach hat Frau Faust das erste Mal kommentiert. Ich hab zwar Jahre viele Blogs verfolgt, aber ihres kannte ich nicht. Ich habe fasziniert Stunden dort gelesen. Viele Gemeinsamkeiten festgestellt. Liebe Eugenie, DU bist meine große Blogentdeckung. Du hast mir viel Mut gemacht, auf allen Ebenen. Ich vermisse Dich. Ich hoffe, Du bist gut aufgehoben.

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Für mich war es meist ein gutes Jahr, zumindest im ersten Drittel. Ich war viel unterwegs, zum Beispiel bei der Documenta und noch mehr daheim, trotzdem sind die Atelierfenster immer noch nicht geputzt. Aber am Samstag fahr‘ ich zum Kunsthandwerken, das wird sicher der Anfang einer großen Leidenschaft. Und/oder unermesslichen Reichtums. Vielleicht werd‘ ich aber auch Dichterin oder gar Sammlerin? Ist ja noch Zeit. Hoffentlich.

Gerade ist es etwas holzig, aber wir werden das schaffen. Jedenfalls freue ich mich, dass Sie da sind. Bleiben Sie mir gewogen.

* Das hier war also ein Liebeskummerbewältigungsblog. Ist es noch manchmal.
Vermutlich noch lange, wie Herr Kid einst unkte.
** Hier sehen Sie die beschriebenen Damen und Herren vereint.

Bygones

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Almut Klotz ist gestorben. Sie war großartig, sie war klug und poetisch, sie sang für uns und gehört für mich zu der Zeit auf diesem Bild oben. Da sitzt rechts meine beste Freundin mit der Amerikanerin, die Dame links kenn ich nicht, die wollte aber offenbar dringend auch aufs Foto. Da hingen wir hinter der Kulturbrauerei rum, in lauter Gelumpe, und warteten auf die grosse Nacht. Eine neue grosse Nacht. Es war immer Sommer, wir mussten immer Kohlen in den vierten schleppen, und ich bekam immer Ärger mit I., wenn der Ofen ausging, denn ich war immer beim Kommunisten, der hatte eine Gasetagenheizung. Wir schrieben immer Botschaften auf die kleinen Blocks, die neben allen Türen hingen, wenn keiner da war, Mittwoch um zehn!, das war keine Frage sondern eine Ansage, absagen ging ja nicht, so ohne Telefon. Alle konnten auf alle Dächer und von dort sowieso überall hin. Alle machten Kunst. Alle waren wild, frei und glücklich. Und so jung.

Almut Klotz ist gestorben. Mit einundfünfzig.

Der Treppenwitz

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Wann immer ich das Wort Treppenwitz irgendwo lese, fächert sich jenes Szenario vor meinem innneren Auge auf: Die Schulze aus dem dritten und die Schmidt aus dem zweiten, auf dem Absatz zwischen ihren Wohnungen neben einer picobelleo abgestaubten Sansevieria stehend, in unterschiedlich gemusterte Kittelschürzen gewandet, stecken die Köppe zusammen. Die Schulze (oder die Schmidt?) zischelt Kennste den schon? Den Rest ins andere Ohr. Und dann kichern beide und sehen sich verstohlen um.

Es riecht nach Bratkartoffeln und ein bisschen nach Bohnerwachs. Aus der offenen Wohnungstür aus dem zweiten wehen ein paar Takte Volksmusik herauf. Die Tapete ist mit Glitzer. Auf jeden Fall ist Sommer.

Und jetzt gehe ich meinen Besuch machen.

Lieber Heiner,

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ich mochte das letzte Buch, hab ich das noch gesagt? Das Manuskript ist bestimmt noch irgendwo, ich bin sicher, ich habe es nicht weggeworfen. Nicht wie die vielen Emails, die das Universum unwiederbringlich verschlungen hat. Hätte ich veröffentlichen können. Titel: Hunderte unverstandener Briefe. Bisschen blöd, dass Du mir erst nach so langer Zeit gesagt hast, dass Du keine Ahnung hast, wovon ich rede. Konnten wir auch nicht mehr klären

Es ist Pfingsten, die Sonne scheint und sie brummen überall rum, die blöden Motorradfahrer. Und ich denke an Dich. So wie ich an Dich denke, wenn ich den Bachstelzen bei der Arbeit zusehe. Das ist nicht so selten.

2002. Wir wetten, dass ich die Kellnerin rumkriege, als sie dann an der Tischkante hängt und mir ihre Lebensgeschichte erzählt behältst du die Fassung und schiebst es auf meinen stark ausgeprägten männlichen Anteil. Sie studiert Literaturwissenschaften, aber ihre Silhouette, da sind wir uns einig, ist tadellos. Du bist nicht beleidigt. Wegen des Misstrauens, und wir beschwören die Liebe und den grossen Abend, und ich die Grenzen, das macht nichts denn es fühlt sich gut an, so ohne Strategie. Ein Vergnügen.

Ich weiss nicht, ob Du gelogen hast. Und wenn, dann war es eine wunderbare sensible elegante Lüge. Du schuldest mir noch 8 Öre für die letzten vier Tequila. Ich schulde Dir noch eine Antwort wegen Havanna. Das ist jetzt schwer, weisst Du. Und anders. Wenn ich nur wüsste, wohin ich sie schicken soll.

Dieses ganze Vermissen bringt zwar nichts, das kann man schon mal sagen, weil das Leben schreitet fort, ohne Rücksicht darauf zu nehmen.

Lange Nächte im Luxus. Heute vermute ich, Du konntest rein gar nix anfangen mit meinem Berliner Bohèmescheiss. Aber warst ja ein höflicher Mensch. Und sehr charmant, wie Du Dir mit Deinem großen weissen Stofftaschentuch den Schweiss von der Stirn getupft hast.

Elf Jahre ist das schon her. Fehlst.

Alte Buchstaben

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Samstag habe ich Post bekommen, 214 Seiten ausgedrucktes gemeinschaftliches Insnetzschreiben, 13 Jahre alt. Ich habe jetzt bis S. 74 gelesen und: Wie jung wir waren. Wie albern, ernst, oberflächlich, boshaft, maßlos, nachdenklich, brutal, redselig und ungestüm. Was für ein Dokument.

Und was bin ich für eine betuliche Trutschelkuh geworden. Mit Rilke und so.

Altersweisheiten

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© Ulrike Fritsch: Zwei geräucherte Fische auf rotem Teppich

Manchmal komme ich für einen Moment auf die Idee, ich sei viel vernünftiger und weiser als vor 25 Jahren. Dann behaupte ich vernehmlich, ginge ich heutzutage zur Schule, ich würde mit unendlicher Begeisterung, Engangement und Fleiss dieses großartige kostenlose Angebot zur Bildung wahrnehmen. Denn inzwischen weiss ich ja: Lernen ist toll. Hat man was fürs Leben.

Und nu rate mal, wann ich üblicherweise meine Italienischhausaufgaben mache? Ja, genau, zwei Stunden vor Kursbeginn (Kurs=teuer). Dass ich sie nicht von der L. abschreibe, ist eigentlich der einzige Unterschied zu früher. Und wenn ich nicht französisch parlieren könnte wie verrückt, dann wäre ich auch noch vokabelmäßig voll aufgeschmissen.

Das Bild steht in keinerlei inhaltlichen Zusammenhang zu dieser Information.

Hafennächte

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Jaja, das ist in B. Mit ohne Verkleidung. Und ohne uns. Und ohne Hafen. Aber mit Nacht.

Früher wurde auch bei uns nie ohne passende Kleidung gefeiert. Einmal, Mitte der 90er in Köln gab es die Hafennächte. Ich ging, wie immer nicht im Kleid, als Glücksfalschspieler mit Borsalino und Bärtchen (ich gehe immer als Mann, da kann ich meine maskuline Seite in Ruhe ausleben). Wie immer wurde viel getrunken, anderes Zeug konsumiert, getanzt und der eine oder die andere fiel ein bisschen aus der Rolle. Es gab eine Karaokebühne, von der ein paar Festbesucher gewaltsam entfernt werden mussten. Ich sang mit der Schauspielerin Stars shining bright above you, was leidlich zu meiner Stimmlage passt, vermutlich aber trotzdem nicht sonderlich hübsch anzuhören war. Seis drum.

Und dann. Dann, am späten Abend betrat eine so wunderschöne hinreißende Person den Raum, dass ich fast vom Barhocker fiel. In einem langen schlauchigen Kleid, mit exotischen Blumen bedruckt und einer Orchidee im Haar. Ich war erschüttert. Und angespornt. Und habe sie erobert und sie ist noch immer mein.

Gerade ist sie abgereist, mit den zwei wilden Blagen, das Töchterchen hat die selben besonderen grünen Augen mit einem schwarzen Ring um die Iris, der Sohn sieht seinem Vater ähnlich. Die Kindsmutter ist jetzt fünfzehn Jahre älter, ich auch übrigens, und das Leben hat uns beide ein bisschen gebeutelt, so im normalen Rahmen. Sie hat das gleiche Händchen für bescheuerte Männer wie ich. In vielen Dingen sind wir uns ähnlich, treffen Entscheidungen selten aus Vernunftgründen. Und landen dann in mehr oder weniger grossem Schlamassel. In dem wir viel zu lange verharren.

Ich schaue sie noch mit dem gleichen Vergnügen an. Die wunderschöne hinreißende silberblickende Neuköllner Freundin mit der Whiskystimme. Sie wollte eigentlich als Matrose gehn. Hat sie gestern erzählt. Ob das dann auch was geworden wäre mit uns?

Seinerzeit

Und wem das hier grad alles zu posh ist, für den hätte ich einen sehr langen und sehr alten Hut. Aber Vorsicht, da wird viel geflucht und es fliessen allerhand eklige Sekrete. Zumindest zu Anfang. Später wird es etwas ruhiger. Und machen Sie bloss das Fenster schmaler, sonst ist das ja unlesbar: Der Lischke. Trennungsschmerzverarbeitung in den späten 90ern.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind natürlich reiner Zufall.

An den Kommunisten denke ich oft gerade. Und hätte ich nur den Theaterwissenschaftler geheiratet. Das bisschen Borderline.

Es schneit. Wie verrückt.

Jimmy Coopers Identitätskonflikt

Gestern Abend alte Freunde, Bier, Chips und Quadrophenia (Weihnachtsgeschenk). Merkwürdig, so einen mal wichtigen Coming of Age Film nach 25 Jahren wieder mal anzuschauen.

Immer noch toll: The Who. Und die Steilküste von Brighton (nächstes Mal).
Rätselhaft: Diese Wut auf die Großen und alles was mit ihnen zusammenhängt (die sind aber auch alle schrecklich und blöd da). Klar, die Großen sind wir jetzt selber und machen brav mit, mehr oder weniger. Das Gefühl des Fremdseins im Vertrauten und das Ausmaß an Verzweiflung darüber. Ich weiss nicht mehr, ob ich mich früher in diesem Film besonders verstanden gefühlt oder ob ich mich mehr für die korrekte Modausstattung interessiert habe. Auf jeden Fall fiel mir ein, wie unvorstellbar es einmal war, dass einem egal sein könnte, welche Musik, welche Uniform und welche Fahrzeuge man unbedingt braucht. Ja, die Fahrzeuge. Diese aufgemotzten Roller erinnern mich heute schon sehr an die Mantas meiner Dorfjugend. Bis hin zum Fuchsschwanz.

Aber für einen ganz kurzen Moment fühle ich diesen durch Musik und Drogen aufgestachelten Zorn auf alles, der mich auch noch manchmal leise streift, wenn der schwarze Block an mir vorbei marschiert (ich auf dem Weg zum Bioladen). Wummwummwumm. Utzutzutz.

Und auch vergessen: STING spielt da mit. Haha.