Archiv der Kategorie: Selbstbildnis

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Das Bild passt nicht so recht, ist aber schön. Oder?

Frau Casino schrieb über einen ihrer Zwillinge unlängst, er sei ein gründlicher sucher und kein panikkind. Das finde ich großartig und unvorstellbar. Leider bin ich weder das eine noch das andere.

Wenn der Kommunist mich bat, ihm die Rauchutensilien aus dem Nebenzimmer mitzubringen, rief er, der Tabak sei in der linken Außentasche der Bomberjacke, das gelbe Feuerzeug liege auf der Ablage am Spiegel und es müssten noch Blättchen in der rechten unteren Schublade der Kommode sein. Genau so war es. Ich bin froh, falls ich, wenn ich rauchen will, überhaupt ein Feuerzeug dabei habe, kein Gedanke, ich wüsste, in welcher Tasche es sich befindet. Genauso verhält es sich mit dem Schlüssel, dem Telefon und dem Geldbeutel. Regelmäßig, besonders auf Reisen verfalle ich in blanke Panik, weil ich irgendetwas Lebensnotweniges nicht finden kann, und schwöre Stein und Bein, ich hätte es genau da verstaut, es kann also nur verloren oder gestohlen sein. Das führt dazu, dass ich meine unterschiedlich großen Handtaschen an unpassenden Orten, wie zum Beispiel Flughäfen (wenn zwischen Zoll und Einsteigen die Bordkarte spurlos verschwunden ist) komplett auskippen muss. Natürlich mit damit einhergehender hektischer Hysterie und wahrlich nicht immer unbegründet, denn imposant ist die Zahl der verlorenen Schlüsselbunde, Geldbeutel (oh, auch wunderschöne), Handschuhe, Schirme, Schals und geerbten Schmuckstücke. Das ist unzumutbar und sehr peinlich. Meine Freunde ignorieren diese Attacken weitgehend und verdrehen höchstens die Augen, tatsächlich tauchen die meisten Dinge auch wieder auf, da sie sich lediglich nicht dort befinden, wo sie sich befinden sollten.

Als ich nach Kreuzberg zog, stellte ich das Nähtischchen raumgreifend in den Flur und rief den Beginn einer neuen Ära aus (ich rief sicherheitshalber sehr leise), denn von nun an wollte ich den Wohnungsschlüssel sofort nach dem Betreten der Wohnung dort ablegen, so dass ich ihn immer sofort und mühelos zur Hand hätte. Manchmal klappt das. Die vielen Male, wo es nicht klappt, ist es noch schlimmer als vorher, denn wo verdammt soll der Scheißschlüssel denn sonst sein, wenn er nicht auf seinem Platz liegt?

In der Schwedter Straße gelang es mir sogar einmal, den Schlüssel in der Wohnung so zu verlieren, dass ich den deponierten Ersatzschlüssel einfordern musste. Wochen später fand ich ihn in der Medizinschachtel im Bad. Ach. Und ich wäre so gerne strukturiert. Und organisiert. Und nicht so zerstreut. Die Greisin, die das sehr verzweifelt (heute bin ich ohne Geld zum Einkaufen gefahren), durchlitt das schon einmal: Der alte Montez hat seinen Besitz über die Hotelzimmer der ganzen Welt verteilt, so habe ich lustige Kleidungsstücke von überall geerbt, denn mitunter war der Mann schon in Schanghai, der Mantel aber noch in Peking. Und dann hat er halt einen neuen gekauft.

Die Greisin selbst ist, nicht mehr in höchstem Maße, aber noch immer in weit höherem als ich, über diese Dinge erhaben, hat in ihrem langen Leben nie einen Schlüssel verloren, im schlimmsten Fall, und das erst seit einiger Zeit, einen verlegt. Zudem verfügt sie über eine gut geschmierte Verbindung zum heiligen Antonius, der ihr sogar schon ein gestohlenes Auto wiederbrachte. Ich selbst bin leider, außer zu bisschen Aberglauben (schwarze Katze von links), zu dieser Art vertrauensvoller Hinwendung nicht in der Lage. Dennoch hab ich ihn extra zweimal daheim in Padua aufgesucht, habe bestmöglich seinen Zungenresten gehuldigt und ihm Kerzlein angezündet. Er aber meinte, bei meinem Schuldenregister sei das höchstens ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Ab jetzt Botox

Und weil heute Frauentag ist. Und weil ja allerorten über den körperlichen Verfall geklagt wird: Madame la Cosmetique, die ich seit sieben Jahren zweimal jährlich aufsuche, fand gestern, meine Hautalterung sei in Zeiten unserer Bekanntschaft nicht erwähnenswert fortgeschritten.* Ich nahm das mit zufriedener Indifferenz zur Kenntnis. Tatsächlich mag es nicht so scheinen, aber die Beschäftigung mit meiner Hülle ist dramatisch zugunsten anderer Überlegungen (jaja, manchmal denkt sie nach über ernste Dinge, heimlich) zurückgegangen. Vermutlich ist es mir manchmal sogar ein bisschen zu egal wie ich aussehe. Ausser bei diesem morgendlichen unangenehmen Knochenzurechtrücken kann ich das Wehklagen über körperlichen Verfall nicht nachfühlen. Ne, und tatsächlich, ob mir die Kerle hinterherglotzen oder nicht ist mir auch wurscht. Mag sein, dass sich das wieder mal ändert, aber im Moment komme ich so gut zurecht, das ist nicht maßgeblich für mein Selbstwertgefühl. Ach, wie lange habe ich dafür gebraucht. Dieses Hadern mit dem Körper und dessen Ausbuchtungen will ich bestimmt nicht mehr zurück. Zudem lebe ich mit einem Musterexemplar des heiteren Alterns zusammen, wenn ich die Greisin anschaue, wird mir darob nicht bang.

Was für eine Zeitverschwendung. Das Jammern. In allen Belangen.** Aber natürlich, früher war alles besser. Sogar das Fernsehen. Ach Magnum.

* Und diese Lady neulich mit ihrem Präparat gegen Pigmentflecken, die hatte sicher grauen Star oder sowas. Und selbst wenn, ein kurzer Schreck. Oder mehr ein Verblüfftsein.

** Nein, natürlich darf gejammert werden. Manchmal hilft es sogar.

Was ich lieber nicht wissen wollte

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Feine glatte Dame: Möchten Sie was zum Probieren mitnehmen?
Ich: Ja, warum nicht?
Dame: Ja, was hätten Sie denn gerne?
Ich: Ach, geben Sie mir einfach mit, wovon Sie denken, das sei richtig für mich.
Dame: Bitteschön
drückt mir ein vielversprechendes rotweissgoldenes Päckchen in die Hand

Ich: Dankeschön, usw.

Daheim, Packungsbeilage:
Die ultimative Anti-Age Pflegelinie Dings erneuert die natürliche Leuchtkraft der Haut […], um Falten, Pigmentflecken und fahlen Taint auszublenden.

Aha. So ist das also.

Ich auch mal

Geliehen vom Wortschnittchen. Fand ich immer toll.

Zugenommen oder abgenommen?
Mal so mal so. Jetzt ist die Waage kaputt. Warum?

Haare länger oder kürzer?
Viel länger. Mal sehen, wie lange ich noch durchhalte.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Noch kurzsichtiger. Dass das geht. Geht.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Weniger. Wo auch. Internet etwa?

Der hirnrissigste Plan?
Der Versuch, für drei zutiefst uneinige Kooperationpartner ein gemeinsames unkonventionelles buntes Buch zu machen. Alles daran. Ein Trauma.

Die gefährlichste Unternehmung?
Allein nach Andalusien? Haha. Allein in Neapel? Ne, sag ich nicht.

Der beste Sex?
Das Jahr fing wild an und flaute (in der zweiten Hälfte) deutlich ab.

Die teuerste Anschaffung?
Blödes neues Ifon. Siri, die Kuh. Sie versteht mich einfach nicht.

Das leckerste Essen?
Immer. Fast immer. Oft.

Das beeindruckenste Buch?
Beeindruckt? Hat mich lange kein Buch. Auch schlimm.

Der ergreifendste Film?
Nix da Film (höchstens vielleicht die Sache mit den Schlangen, Spinnen, Raben und Fledermäusen. War das bei 3sat?)

Die beste CD?
Ojeh. So zärtlich Herz an Herz?

Das schönste Konzert?
Dan and the Desperados auf dem Gumpefescht.
Das einzige. Das hätt‘ ich mir auch nie träumen lassen.
Gerade noch eingefallen, das schönste Konzert war NATÜRLICH
Christiane Rösinger in dem kleinen finnischen Club Chez Icke.
roesinger

Die meiste Zeit verbracht mit …?
Ojehojeh. Pepone Zeppelin Trotzki. Besorgniserregend. ?

Die schönste Zeit verbracht mit …?
Den Lieblingsnachbarn.
Wunderbarem Besuch aus diversen Großstädten. Diversen Großstädten.
Meinen zauberhaften Freunden.

Vorherrschendes Gefühl 2012?
Ach. Kehrt ja mal Ruhe ein. Oder?

2012 zum ersten Mal getan?
Haggis gegessen. Gebloggt. Einen Korb geflochten. Für Illus Geld bekommen. Jemanden absichtlich beleidigt. Eine Qualle in die Hand genommen. Einen Job richtig verkackt. Aber wie.

2012 nach langer Zeit wieder getan?
Einen Skikurs gemacht (beim Edi). Schwarze Piste gefahren. Was aufgeschrieben. Ein Bild gemalt. Pompös Geburtstag gefeiert. Gekifft. Ein Kleid getragen. Auf der Mainau gewesen. Comics gelesen. Verziehen. Was geschmuggelt. In einem Achtbettzimmer übernachtet. Arbeit aufgeschoben.

Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Eine sechswöchige Anginamittelohrentzündungsgrippe.
Den Versuch, für drei zutiefst uneinige Kooperationpartner ein gemeinsames Buch zu machen. Falsche Druckdatei zu verschicken (war sehr teuer).

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Biobiobiobio. Nein, nicht die Piraten wählen! Beides erfolglos.
Letzteres hat sich von alleine erledigt.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Ein elektrisches Buchlesegerät für die Greisin. Mhm. Ich frag aber nochmal.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat? ?
Ein rotweissgestreifter Shawl von der K.
Soll mal mehr Farbe rein findet sie. Hat sie recht.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat? ?
Es war wahnsinnig schön mit bei Dir.

Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe? ?
Das hast Du fein gemacht. Ne. Vielleicht: Mit Dir verreise ich am liebsten.

2012 war mit einem Wort …? ?
Ereignisreich

Right now

Ach, sowas wollte ich ja schon lange auch mal. Via die Kaltmamsell.

Ich lese … fast gar nicht mehr, wenn überhaupt, Krimis und behaupte das liegt an meinem ADS. Je weniger Handlung, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, ich habe am Ende des Satzes vergessen, was am Anfang war. Glücklicherweise habe ich in meinem alten Leben so viele Bücher gefressen, das das noch eine Weile reicht. Kann immer noch sagen: Oh ja von der/dem hab ich auch mal was gelesen (1996).

Ich trage … eine sehr alte, sehr dreckige Cargohose in Schlammgrün und einen (sehr alten, sehr dreckigen) schwarzen Herrenwollpullover, den ich in den Galeries Lafayette kurz nach deren Eröffnung gekauft habe, drunter auch alles schwarz (aber sauber!).

Ich habe … heute noch schnell neues Heu bestellt, nachdem ich mich mal wieder total verschätzt hatte, wie lange es noch reichen würde. Die Bäuerin bringt es, und wir zwei Ladies werden es vermutlich wieder nicht schaffen, den Rundballen aufzustellen. So ist das Leben ohne Mann.

Ich höre … die Schlafgeräusche des Hundes, der auf meinen Füssen liegt.

Ich trinke … sehr ungern. Ausser Alkohol.

Ich esse … jetzt erst mal nix, denn ich habe gerade gefrühstückt. Generell behaupte ich immer, ich esse alles, um dann mengenweise aufzuzählen, was ich nicht mag. Z.B. Pfeffer. Nicht wegen scharf (ich liebe scharf), sondern wegen des muffigen, alles überdeckenden Geschmacks. Ziegenkäse. Lamm. Leber.

Ich stehe … sehr ungern, denn mir tun schnell die Füße weh. Beim Gehen weniger.

Ich gehe … ziemlich viel zu Fuss, auch in Berlin, wo ich früher wie eine Wahnsinnige Fahrrad gefahren bin (den Kurier erwisch‘ ich auch noch!). Das geht mir aber zu schnell inzwischen, ich schätze das Fussgetempo. Sieht man auch mehr.

Ich lache … sehr selten laut. Obwohl die Greisin gestern gemeckert hat, ich hätte den Ernst des Lebens noch immer nicht erfasst und wäre genauso albern wie mein Hund. Ich glaube nicht an den Ernst des Lebens. Aber mehr laut lachen wäre vielleicht gut.

Ich sehe … Nebel. Schemenhafte Bäume. Aus dem Fenster.

Ich mag … mein Leben. Hoffentlich hält es noch ein bisschen. Der Internist sagt, die Herzklappe der Greisin klappert bedenklich leise inzwischen. Dem wird nun mal nachgegangen.

Ich schreibe … wieder viel, nach dem ich acht Jahre nicht mehr als den Einkaufszettel notiert habe. Vielleicht geht das mit dem Lesen auch so? (Sind schliesslich alles Naturgesetze)

Ich weiß … nicht besonders viel, aber mit Blumen und Schmetterlingen kenne ich mich wirklich gut aus. Und für Notfälle habe ich eine Bestimmungs-APP mit über 1000 Pflanzen. Kann also gar nichts passieren.

Ich möchte will … gerne geduldiger sein. Mit anderen. Mit mir. Und beharrlicher. Und weniger faul. Und einen Landrover Defender. Und einen Gärtner.