Besuch aus München. Freundin D. kam vorbeigerast, auf dem Weg zur Buchmesse. Die D. hat vor einiger Zeit von einem sehr kleinen und feinen Verlag in Berlin zu einem sehr grossen und weniger feinen Verlag in München gewechselt, um noch ein bisschen Karriere zu machen.
Sie arbeitet nun als Lektorin für Frauenliteratur und hat uns, dem Damenkränzchen, neben schallendem Gelächter schon mitunter die Schamröte ins Gesicht getrieben, wenn sie uns aus ihren Manuskripten vorgelesen hat. Das ist ja eine Sparte, die an mir komplett vorbei ging bislang. Ein Glück. Musst Du nicht manchmal schreiend durch die Strassen rennen, wundere ich mich. Musse nich, und meint man könne sogar in diesem Sumpf das ein oder andere Schmuckstück finden. Zwischen den Varianten:
Frau, Anfang dreissig Mitte zwanzig, wird von ihrem Mann verlassen, findet plötzlich ihre Erfüllung in anderen Dingen (z.B. Beruf, gerne im sozialen Bereich) und in diesem Zusammenhang letztendlich auch wieder die Liebe. Heiratet und wird dann gleich schwanger.
oder
Frau, Ende dreissig, verliert Ehemann durch schrecklichen Unfall, muss nun drei Kinder alleine grossziehen, und findet Trost in anderen Dingen (z.B. Beruf, gerne im sozialen Bereich) und in diesem Zusammenhang letztendlich auch wieder die Liebe.
oder
Frau, Anfang fünfzig, wird von ihrem Mann wegen einer Jüngeren verlassen, die Kinder sind aus dem Haus, findet aber plötzlich ihre Erfüllung in anderen Dingen (z.B. Beruf, gerne im sozialen Bereich) und in diesem Zusammenhang letztendlich auch wieder die Liebe (Mann kommt zurück, manchmal).
oder
Susi, eine reine milch- und honiggleiche Jungfrau, trifft Klaus, den schwarzen Schurken mit abgründigen sexuellen Präferenzen, und lässt sich aus Hingabe ein, mit ihm allerhand mehr oder weniger exotische Varianten des Liebesspiels auszuprobieren. Was dann mehr oder weniger gekonnt, aber sehr ausführlich beschrieben wird. Kennen sogar wir alle inzwischen.
Was mich wirklich überrascht hat ist, dass sich zwischen diesen pastellfarbenen Buchdeckeln mitunter handfeste Pornographie verbirgt. Die D. jedenfalls, die zwar nicht schreiend durch die Strassen lauft, verlegt sich langsam mehr auf Krimi, was ja ganz nach meinem Geschmack ist.
Heiter plaudern wir in italienischer Erlebnisgastronomie über derlei Erzählen und ich ärgere mich (trotz des Erlebnisses und der sonstigen Heiterkeit) wieder mal, dass man sich hier meist zwischen See und gutem Essen entscheiden muss. Der See aber gibt sich grosse Mühe, mich zu beruhigen, schaukelt und gluckst zu unseren Füssen, die Sonne blendet über bunte Bäume und macht dolle Kontraste. Auch das Lieben, Verlassen und Verlassen werden kommt zu Sprache, und ich freu‘ mich sehr, denn die D. wurde direkt nach der Umsiedelung von ersterer heimgesucht. Eine Geschichte, fast wie in ihren schrecklichen Büchern.
Wir schnappen den Sauhund, der sich ausnahmsweise mal von seiner besten Seite zeigt, und machen einen wunderbaren langen Gang um Maria im Stein (Achtung, total schräger Youtubefilm, ist aber fast genau unsere Route) und zünden sicherheitshalber ein Kerzlein an.
Die D. muss nun ruhen und ich breite das Abendmahl:
Flädlesuppe
Felchen- und Kretzerfilet mit Bandnüdele,
4erlei Gartengemüse und Safransahnesössle.
Vanilleeis mit Hernn Häuslers Schlehenlikörle
(das -le muss man hier, wenn man findet, man hat gut und regional gekocht oder destilliert)
Birnauer Kirchhalde Grauburgunder
Limoncello aus Napoli
Und dann, ja dann waren wir alle so erschöpft von den ausschweifenden Vorabenden, dass die D. und ich uns durch die Abgründe von Wetten Dass … gequält haben. Dabei entschlummerten.
Nach einem opulenten Frühstück am Sonntag morgen aufbrachen, das Fürstenhäusle in Meersburg zu besichtigen, wo ich zuletzt als Kind war. Und ein Bekannter meiner Eltern damals ins Gästebuch schrieb:
Wenn ich gewohnt hätt‘ wie Annette,
was meinst wie ich gedichtet hätte.
Dem kann ich nur zustimmen. Leider schlug der Häuslefluch (eng verwandt mit dem Neapelfluch) wieder zu, und wir verquatschten uns bei Kaffee und Kuchen im zauberhaften Burgcafé (solche Webseiten gibt es noch?), so dass dieser Programmpunkt wie so viele Male vorher gestrichen werden musste. Der Weg zum Bahnhof war dann aber viel kürzer als gedacht, so dass ich der D. noch schnell zeigen konnte, wo mich aufopferungsvolle Lehrer letztlich doch noch zum Abitur geschleift haben und wir uns beim Markgrafen noch mit Alkohol eindecken konnten. Bahnhof. Abfahrt. Icke dann Schreibtisch. Später Tatort, huhu Beckchen, wegen Dir, meiner Freundin habe ich das alles ertragen. Ich hoffe, Du weisst das zu würdigen!